Aktuelles

Freie Akademie e.V.

Ankündigung der Tagung 2024

 

Die Freie Akademie lädt herzlich zu ihrer wissenschaftlichen Tagung zum Thema

 

KI – eine Herausforderung für moderne Gesellschaften

vom 9. bis 11. Mai 2024 in der Frankenakademie Schloss Schney, bei Lichtenfels ein.

In den Mittelpunkt stellen wir das große Thema der „Künstlichen Intelligenz“ (KI). Wir wollen ihre Vorgeschichte, den Zusammenhang von KI und sozialen Medien, neues (künstliches) Sprechen und das Entstehen von Scheinwelten erörtern. Die Chancen, Möglichkeiten und Risiken der KI sollen dabei ebenso thematisiert werden wie die ethischen, wissenschaftlichen und rechtlichen Dimensionen von KI.  Die KI tritt immer mehr in unser Leben.

Wer kennt nicht Alexa, Siri oder ChatGPT? Diese modernen Systeme sind Beispiele dafür, wie sehr die Künstliche Intelligenz (KI) mittlerweile unseren Alltag durchdringt. KI hilft uns, Playlists zu erstellen und Fotos zu sortieren, sie schlägt uns Filme und Bücher vor, schreibt Einladungen und plant Urlaubsfahrten für uns, mitunter fungiert sie sogar als Gesprächspartner. Doch so beeindruckend und hilfreich moderne KI-Systeme auch sein können, sie bergen auch Risiken: Beeinflussung durch Fake News, Diskriminierung durch Algorithmen und Verletzungen der Privatsphäre sind nur die Spitze des Eisbergs. Der Vortrag von Lena Kästner skizziert Chancen, Risiken und Nebenwirkungen des Einsatzes moderner KI und diskutiert die Frage, wie wir als Gesellschaft, die Potenziale von KI ausschöpfen können, ohne dabei bestehende Normen und Werte zu gefährden.

Doch bevor wir uns den ambivalenten Auswirkungen der KI zuwenden, gibt uns Tobias Thelen einen knappen Einblick in das, was KI eigentlich ist. Denn als akademische Teildisziplin der Informatik ist die Künstliche Intelligenz inzwischen über 60 Jahre alt und hat eine Vielzahl an Methoden und Anwendungsfeldern hervorgebracht, die sich nur zum Teil mit den aktuellen öffentlichen Diskursen über KI decken. In seinem Vortrag werden aus informatischer und zum Teil auch historischer Perspektive unterschiedliche Herangehensweisen und Ausprägungen beispielhaft vorgestellt und zu den bekannten, derzeit diskutierten Anwendungen in Bezug gesetzt.

Moderne KI wird vielfach in der industriellen Produktion eingesetzt. Martin Brückel stellt in seinem Beitrag vor, wie eine spezifische Form der KI durch geeignete Modellierung komplexer Produktionsabläufe zur Erkennung von Anomalien z.B. in Schwingung, Akustik, und Temperatur eingesetzt wird, um auf diesem Wege rechtzeitig mögliche Schäden im Produktionsprozess zu vermeiden.

Die einschlägigen Algorithmen, die soziale Medien nutzen, um ihre Nutzerinnen und Nutzer länger auf der Plattform zu halten oder ihnen scheinbar passende Angebote zu unterbreiten, führen diese mitunter in epistemische Blasen oder gar in Echokammern. Doch was genau sind die Mechanismen, die Menschen in diese – nicht selten schädlichen – Gruppen ziehen und halten? In ihrem Vortrag beleuchtet Rebecca Watzlawek die affektive Anziehungs- und Bindungskraft dieser epistemischen Räume anhand relevanter Beispiele und stellt dar, wie auch Sprache zur Identifizierung mit einer Ingroup sowie Polarisierung und Radikalisierung beiträgt.

Bei wichtigen Entscheidungen, z.B. über Kredite oder Gefängnisstrafen, sollte es keinen Unterschied machen, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe jemand hat. Doch dieses Prinzip bei durch KI gestützten Entscheidungen umzusetzen ist alles andere als trivial. Oft hinterlassen solche Eigenschaften, obwohl „moralisch irrelevant“, einen klaren Fußabdruck in den Datensätzen, mit denen KI trainiert wird. Der Vortrag von Astrid Schomäcker zeigt die Komplexität hinter der Erwartung von Gleichbehandlung durch KI auf und beschäftigt sich mit der Frage, wie ein fairer Umgang mit Informationen über geschützte Merkmale aussehen kann. Aus etwas anderer Perspektive befasst sich Tobias Matzner mit verschiedenen Ansätzen, Diskriminierung durch KI zu erkennen. Dabei geht es sowohl um pragmatische Fragen, wie etwa dem Zugang zu Daten, aber auch grundlegend epistemische Probleme. So stellt sich etwa die Frage, wie überhaupt die Repräsentationsleistung von Daten zu sehen ist, um sie mit zeitgenössischen Debatten zu Diskriminierung verbinden zu können.

Lassen Sie uns interdisziplinär über die KI diskutieren, Antworten finden und neue Fragen formulieren und gemeinsam klüger werden.

Alle Interessenten sind herzlich eingeladen!

Dr. Volker Mueller                                        Prof. i.R.  Dr. Achim Stephan

Präsident der Freien Akademie                     Wissenschaftlicher Tagungsleiter


Ankündigung der Tagung 2024

 

Die Freie Akademie lädt herzlich zu ihrer wissenschaftlichen Tagung zum Thema

 

KI – Künstliche Intelligenz

vom 9. bis 11. Mai 2024 in der Frankenakademie Schloss Schney, bei Lichtenfels ein.

In den Mittelpunkt stellen wir das große Thema der „Künstlichen Intelligenz“ (KI). Wir wollen ihre Vorgeschichte, den Zusammenhang von KI und sozialen Medien, neues (künstliches) Sprechen und das Entstehen von Scheinwelten erörtern. Die Chancen, Möglichkeiten und Risiken der KI sollen dabei ebenso thematisiert werden wie die ethischen, wissenschaftlichen und rechtlichen Dimensionen von KI.  Die KI tritt immer mehr in unser Leben.

Als wissenschaftlichen Tagungsleiter konnten wir Herrn Prof. (em.) Dr. Achim Stephan aus Osnabrück gewinnen.

Lassen Sie uns interdisziplinär über die KI diskutieren, Antworten finden und neue Fragen formulieren und gemeinsam klüger werden. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen!

Anfragen können gern gerichtet werden an die:

Freie Akademie, Holbeinstr. 61, 14612 Falkensee.  

Dr. Volker Mueller                                  

Präsident der Freien Akademie


 

Band 42 der Schriftenreihe der Freien Akademie erscheint

 

Der Band mit dem Titel „Die Notwendigkeit von Freiheit“ ist in der Schriftenreihe der FA beim A.- Lenz-Verlag (ISBN 978-3-923834-40-3) erschienen und beinhaltet die Beiträge und Ergebnisse der wissenschaftlichen FA-Tagung vom Mai 2023, die von Herrn Christian Michelsen und mir geleitet wurde.

Spätestens seit der europäischen Aufklärung steht der Begriff der Freiheit im Zentrum politischer, menschenrechtlicher und philosophischer Debatten. Die Autorinnen und Autoren des Buches sind in ihren Beiträgen kulturellen, theoriegeschichtlichen und philosophischen Dimensionen von FREIHEIT nachgegangen und haben dabei in aktuelle Debatten eingeführt.

Schon John Locke hat die These vertreten, dass eine Regierung nur dann legitim ist, wenn sie das Naturrecht auf Freiheit gewährt und schützt. Liberté, Égalité, Fraternité - unter dieser Losung stand dann das Epochenereignis, die Französische Revolution von 1789. „Der Mensch wird frei geboren, und überall liegt er in Ketten“, so hatte Rousseau 1762 den bürgerlichen Impetus gegen Absolutismus und Aristokratie und für die Republik formuliert.

„Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? So ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung.“ Kant trifft diese Unterscheidung in dem Aufsatz, den er mit seinen berühmten Bestimmungen der Aufklärung als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ und der Mündigkeit als des Vermögens, „sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“, einleitet. Was 1784 galt, gilt auch heute: Die Aufklärung ist nicht abgeschlossen, das Projekt ist, wie Jürgen Habermas es nannte, unvollendet. Aufklärung vollzieht sich, wenn Kritik geübt wird. Kritik vollzieht sich als „freie und öffentliche Prüfung“, der sich weder Religionen noch Regierungen „entziehen“ können. Wahrheitsansprüche, die allein auf Autorität oder Macht gegründet sind, gelten nicht.

An Versuchen, autoritäre Wahrheitsansprüche wieder zu etablieren, fehlt es bekanntlich in unserer Gegenwart nicht. Von einem „Zeitalter der Kritik“ zu sprechen, fällt angesichts der Angriffe von Rechtspopulisten, Extremisten und Neofaschisten gegen eine „freie und öffentliche Prüfung“ schwer. Einschüchterungen bis hin zu Inhaftierungen von Journalisten weisen darauf hin, dass die Ausbildung des Vermögens, „sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“, durch Fake-News und offene Lügen verhindert und die Freiheit der öffentlichen Diskussion wie auch der Wissenschaften und Ideenvielfalt - auch durch staatliche Gewalt - gefährdet ist.

«Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.» - wie es in Artikel 1 der UNO-Deklaration der Menschenrechte (1948) steht. Eleanor Roosevelt (1884 – 1962), amerikanische Delegierte bei den Vereinten Nationen, betonte bei der Vorlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Freiheit ist für jedes menschliche Wesen ein großes Bedürfnis. Mit Freiheit geht Verantwortung einher. Für eine Person, die nicht gewillt ist, erwachsen zu werden, eine Person, die nicht bereit ist, ihr eigenes Gewicht zu tragen, ist dies eine beängstigende Aussicht.“

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Grundrechtecharta der Europäischen Union führen diese Freiheitsgarantien fort.

Argumentationen zur politischen Freiheit wurden aus der philosophischen Tradition diskutiert, wodurch sich des hohen Gutes der Freiheit des Menschen vergewissert werden konnte. Was lehren die Philosophie, Politikwissenschaft, Anthropologie und Psychologie u.a. zum vielschichtigen Begriff der Freiheit? Haben Menschen als „vernunftbegabte Tiere“ einen freien Willen? Wie kann ein aufgeklärter und demokratischer Standard gegen seine Gegner verteidigt und bewahrt werden? Eröffnen sich zurzeit Möglichkeiten der Erweiterung von Freiheitsrechten überhaupt? Ist Freiheit ein Zustand oder ein fortlaufender Prozess? Hat Freiheit Grenzen? Findet Freiheit nur in der Geschichte statt?

Die im Band 42 vereinten Beiträge regen an, im Interesse der Freiheit und der Aufklärung gemeinsam Daseins- und Wertefragen unseres menschlichen Miteinanders zu erörtern. Wir danken Andreas Arndt, Thomas Junker, Renate Bauer, Christian Michelsen, Thomas Scheffer, Martin Schippan und Stephan Kohnen für ihre Beiträge.

Dr. Volker Mueller


Bericht über die wissenschaftliche Tagung 2023 der Freien Akademie

zum Thema: „Freiheit - Möglichkeiten und Gefährdungen“

Die Tagung 2023 widmete sich in diesem Jahr aus philosophischer, politikwissenschaftlicher, psychologischer und anthropologischer Sicht den Möglichkeiten und Gefährdungen der Freiheit. In der Frankenakademie Schloss Schney in Lichtenfels fand dazu die Tagung vom 18. bis 21. Mai statt. Die wissenschaftliche Leitung oblag Christian Michelsen und Dr. Volker Mueller. Der Präsident der Freien Akademie, Dr. Volker Mueller, eröffnete die Tagung und begründete die Notwendigkeit von Freiheit im Zusammenleben der Menschen und die Aktualität der Thematik angesichts ihrer Gefährdungen.

Seinem Abendvortrag zum Thema „Freiheit und Befreiung. Zur Geschichte des Freiheitsbewusstseins“, der die Tagung einleitete, stellte Prof. Dr. Andreas Arndt (Berlin) zwei Thesen voran, die im Folgenden entwickelt worden sind. Erste These: Freiheit ist kein Zustand, sondern immer Aktivität gegen Unfreiheit, also ein geschichtlicher Prozess. Zweite These: Befreiung vollzieht sich immer historisch; sie nimmt immer neue Gestaltungen an, da ein Endzustand nicht möglich ist. Im Rückgriff auf G.W.F. Hegel gilt, dass Freiheit in der Moderne, anders als in der Sklavenhaltergesellschaft des antiken Griechenland, allgemein ist und die Gleichheit der Menschen als Personen vorraussetzt, also den Menschen als Menschen.

Zwei Freiheitsbegriffe sind zu unterscheiden: abstrakte und konkrete Freiheit. Die Konzeptionen der abstrakten Freiheit verfehlen den historischen Charakter der Freiheit: Freiheit ist nur geselllschaftlich realisierbar und das Recht ist nach Hegel das „Dasein der Freiheit“. „Die Weltgeschichte ist Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ lautet Hegels These. Die Geburt des freien Willens ist die Wahlmöglichkeit bei der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse, das Werkzeug die erste Form der Vernünftigkeit. Aus der Umformung der Bedürfnisse ergeben sich objektiv mögliche Spielräume, also Freiheitsvermehrung. Erst mit dem Christentum als Religion der Freiheit trete durch die Gleichheit vor Gott das Bewusstsein der Freiheit aller Menschen ein. Karl Marx übernimmt das Konzept der fortschreitenden Verallgemeinerung der individuellen Freiheit, stellt aber fest, dass die Individuen im Kapitalismus nur abstrakt-formal frei sind, während sie konkret nur frei von Produktionsmitteln und frei zum Verkauf ihrer Arbeitskraft sind. Auch in der rechtlichen Institutionalisierung liegt nur eine Stufe der Befreiung vor. Freiheit ist nie ein endgültiger Zustand, sondern befindet sich immer auf einer gesellschaftlich konkreten Stufe in der Geschichte der Befreiung. Sie ist ein geteilter gesellschaftlicher Zustand unter historischen Bedingungen.

Der Freitag begann mit dem Vortrag von Christian Michelsen (Falkensee): „Demokratiekritik in Platons Politeia“.  Zunächst wurde auf die erste Verwendung des Adjektivs „frei“ versus „Zwang“ in Homers Ilias verwiesen und auf die Reformen des Solon und des Kleisthenes als Vorstufen der direkten Demokratie im Athen des 5. und 4. Jahrhunderts im Gegensatz zu den heutigen repräsentativen Demokratien. Anhand einer Passage aus der Leichenrede des Perikles bei Thukydides wurden die wichtigsten Elemente der attischen Demokratie wie Isonomie (Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz), Mehrheitsherrschaft, deliberative Demokratie, Freiheit des Einzelnen und Individualismus herausgestellt. Gegen dieses „Programm“ der attischen Demokratie richtet sich das Staatsideal in Platons Politeia (ca. 374 v.u.Z.). Der zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung gegründete Staat befördert die den Menschen eigene Pleonexie (Habgier) und damit die Kriegführung. Die Notwendigkeit des Militärs bringt es mit sich, eine Kaste von Waffenträgern so zu erziehen, dass diese „Wächter“ keinerlei verweichlichenden Einflüssen wie Dichtung oder Musik ausgesetzt werden. Tapferkeit und unbedingte Härte nach außen sind das an den Spartiaten orientierte Ausbildungsziel. In ihren Polizeikasernen herrschen Kommunismus und Frauen- und Kindergemeinschaft (Eugenik). Pleonexie soll so ausgeschaltet werden.

Gerechtigkeit wird realisiert, wenn „jeder das Seine tut“ und sich bei Strafe nicht in die Arbeitsbereiche der anderen einmischt. Die platonische Klassengesellschaft („zwei Städte in einer“) sieht für die Masse der arbeitenden Bevölkerung, also Bauern, Handwerker und Arbeiter, nur Unterwürfigkeit durch die Tugend der Besonnenheit vor. Aus dem Militär werden in einem langwierigen Erziehungsprozess die Herrscher heraussortiert: die „Philosophenkönige“. Sie sind Träger des wahren Wissens, „Meinungen“ haben sie überwunden. Ein stabiler sowie von Vernunft und Wahrheit beherrschter Polizeistaat ist Ideal dieser „Utopie“. Klassenkämpfe sind stillgestellt. Daraus ergibt sich die moralische Kritik an den Elementen der direkten Demokratie: An die Stelle der Deliberation gleicher Bürger tritt das absolute Wissen der Philosophenkönige, die Demokratie stelllt sich als entfesselter Materialismus, also Herrschaft der Pleonexie dar. Ihr Freiheitsverständnis bestehe daher in gesetzloser Willkür. Freiheit verderbe den moralischen Charakter und den Staat.

                                                                                                      

Stephan Kohnen (Falkensee) setze mit dem Vortrag: „Hölderlins Hymnen an die Freiheit“ fort. In den Jahren 1790 bis 1793 schreibt Friedrich Hölderlin, zu dieser Zeit Theologie-Student am renommierten Tübinger Stift, eine Reihe von Gedichten, die später als seine Tübinger Hymnen bezeichnet werden. Diese frühen Hymnen des Dichters, der 1790, gerade mal 20jährig, in das Stift eintrat, sind zum einen Ausdruck seines Ringens um ein zunehmend geschichtsphilosophisch geprägtes Weltbild, zum anderen reflektieren sie seine Auseinandersetzung mit der revolutionären Situation in Frankreich und den damit verbundenen politischen Hoffnungen. Zwei dieser Hymnen tragen den Titel „Hymne an die Freiheit“. In beiden Hymnen lässt Hölderlin die Freiheit als Gottheit – offen bleibt, ob diese Gottheit als Verkörperung eines Menschheitsideals oder als (platonische) Idee zu begreifen ist – auftreten, die einem enthusiasmiertem Dichter-Ich ihre Botschaft mitteilt, die dieser in seinem Hymnus der Welt übermitteln soll. Die Botschaft der Freiheitsgöttin ist eingebettet in eine philosophische Geschichtstriade: Auf einen paradiesischen (Ur-) Zustand, eine Art ‚goldenes Zeitalter‘, als sich die Göttin noch bei den Menschen aufhielt, folgt ein Zustand der Unfreiheit und Entfremdung, der gegenwärtig noch andauert, aus dem jedoch, „[w]enn verödet die Tirannenstühle, / Die Tirannenknechte Moder sind“ (v. 99f), ein neuer Freiheitszustand, wie ihn die wiederkehrende Göttin verheißt, ein „[f]reies kommendes Jahrhundert“ (v. 72) hervorgehen soll. In der zweiten Freiheitshymne – in der die zahlreichen Anspielungen auf die antike Mythologie darauf hindeuten, dass der paradiesische Urzustand und die Kultur der griechischen Antike zunehmend ineinander verschmelzen – wird die historische Chance eines revolutionären Umbruchs, einer Befreiung aus Knechtschaft und einer damit verbundenen Erneuerung des Freiheitszustandes noch stärker betont: „Nun, o Brüder! wird die Stunde säumen? / (…) Brüder, ach! um unsrer Liebe willen / Könige der Endlichkeit! erwacht! -“ (v. 73, v. 79f). (Alle Zitate nach: Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke. Frankfurter Ausg. Hist.-krit. Ausg., hrsg. v. D. E. Sattler. Bd. 2 Lieder und Hymnen, hrsg. v. D. E. Sattler u. W. Groddeck, Frankf. a. M. 1978, S. 91ff / S. 163ff.)

Im Vortrag wurden zunächst die Leitgedanken der 1. Freiheitshymne vorgestellt und biographisch, historisch und literarisch eingeordnet. Eine detailliertere Lektüre der 2. Freiheitshymne war dann Gegenstand eines „Workshops“.

                                                                                                           

Am Freitagabend referierte Prof. Dr. Thomas Junker (Frankfurt am Main) zum Thema: „Eine riskante Strategie: Die evolutionäre Entstehung von Freiheit“. In den Naturwissenschaften spielt das Konzept der Freiheit in der Regel keine Rolle. Es gibt aber Ausnahmen. Für den Molekularbiologen François Jacob beispielsweise war „die absolute, blinde Freiheit“ die „Grundlage des wunderbaren Gebäudes der Evolution“. Die Unbestimmtheit der evolutionären Entwicklung, ihre „Freiheit“, entsteht durch natürliche Zufallsprozesse, beispielsweise bei der Entstehung der Mutationen. Insofern funktioniert die „schöpferische Freiheit“ der Evolution wie eine Lotterie, bei der es viele Verlierer und wenige Hauptgewinner gibt.

Mit der evolutionären Entstehung des Gehirns und der Fähigkeit zu Lernen wurde dann eine andere Form von Freiheit möglich. Denn im Gegensatz zu Pflanzen oder einfachen Tieren wie Ameisen werden Menschen und höhere Tiere nicht in jeder Lebensäußerung engmaschig von ihrem genetischen Programm bestimmt, sondern sie können Dinge ausprobieren, ungewohnten Wegen folgen und neue Erfahrungen machen. Diese Freiheit hat viele Vorteile, sie ist aber auch mit Gefahren verbunden.

Um die Risiken der Freiheit zu begrenzen, sind in der Evolution mehrere Mechanismen entstanden. Einer wäre die Kultur, bei der Erfahrungen systematisch von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Eine andere Möglichkeit ist die Entkoppelung von der Realität im Spiel, im Denken und in der Fantasie. All dies reduziert die Risiken, die mit Fehlentscheidungen einhergehen können. Ein Restrisiko aber bleibt bestehen und so ist die Befreiung der Menschen aus genetischer Determinierung ein evolutionäres Experiment mit offenem Ausgang: für jedes einzelne Individuum, für Völker und ihre Kulturen, für die Menschen als biologische Art.

Dr. Martin Schippan (Berlin) führte in „Die Willensproblematik in Schillers theoretischen Schriften“ ein. Die Willensproblematik gehört zu den zentralen Phänomenen, mit denen sich Friedrich Schiller in seinen theoretischen Schriften auseinandergesetzt hat. Seit seinen Lehrjahren an der Hohen Karlsschule (1773-1780) in Stuttgart befasste er sich mit der Grundfrage des Leib-Seele-Dualismus, inwieweit die Freiheit des Menschen angesichts der körperlichen Determinanten möglich sei. In seiner medizinischen Dissertationsschrift Philosophie der Physiologie (1779) entwickelte Schiller ein Willensverständnis, das mit der Aufmerksamkeit verbunden war. Der Mensch könne seine moralische Unabhängigkeit – und damit seine Freiheit – bewahren, wenn er über Seelenstärke verfügt. Seine empirischen Überlegungen zur Leib-Seele-Problematik revidierte Schiller im Zuge seiner Kant-Studien. Fortan vertrat er in transzendentalphilosophischer Manier einen an die Vernunft gebundenen apriorischen Willensbegriff, der zur Grundlage für seine Ästhetik werden sollte. In Schillers Augen kann der Mensch im Angesicht der existentiellen Bedrohung, das er in kantischer Tradition als das Erhabene bezeichnet, seine moralische Interdependenz unter Beweis stellen. Auf der Grundlage dieser philosophischen Gedanken gestaltete er seine Tragödien, in denen sich die literarischen Figuren Maria Stuart oder Wallenstein der Allmacht der Geschichte ausgesetzt sehen. Für die Gegenwart sind Schillers Überlegungen zur Willensfrage insofern ertragreich, als er einen Lösungsansatz zur Frage nach der moralischen Unabhängigkeit – und damit der menschlichen Freiheit – von den physischen Determinanten liefert.

                                                                                                            

„Wie ist unsere Freiheit wirklich? – Kompatibilismus bei Kant und Bieri“ wurde von Dr. Thomas Scheffer (Bielefeld) erörtert. Immanuel Kant und Peter Bieri sehen trotz der Verschiedenheit ihrer Ansätze die Freiheit der Wahl unserer Absichten übereinstimmend in der Orientierung an Gründen. Bieri beruft sich hierfür auf die Unverzichtbarkeit unseres Selbstverständnisses als handelnde Personen. Kant versucht darüber hinaus die Berechtigung dieses Selbstverständnisses in seiner Moralphilosophie nachzuweisen, nämlich mit unserer Fähigkeit, uns rein rational zu motivieren. Beide Autoren trennen unser Selbstverständnis strikt von der prinzipiell deterministischen Beschreibung des Menschen aus naturwissenschaftlicher Perspektive, versuchen aber zu zeigen, dass diese beiden Auffassungen sich nicht widersprechen. In seinem bekannten Buch „Das Handwerk der Freiheit“ erklärt Bieri, dass wir meinen, frei zu handeln, wenn das Bewusstsein unserer Absichten mit zu den Ursachen unseres Verhaltens gehört. Kant argumentiert, dass unsere Absichten nicht vollständig naturwissenschaftlich beschrieben werden können, weil Gründe in sie eingehen und diese nicht deterministisch entstehen.

Vor der Darstellung der Argumentationen wurde zur Klärung der Problemstellung zunächst aufgezeigt, dass das Freiheitsverständnis, von dem die Autoren ausgehen, in unserem Leben tatsächlich eine Rolle spielt. Hierzu wurde auf die Grundrechte des GG Bezug genommen. Im Anschluss an die Darstellung wurde die Argumentation Bieris unter Berufung auf Kant verschärft: Es ist nicht nur aktuell und eventuell vorübergehend nicht möglich, bei der Betrachtung unseres Handelns Überlegungen und Absichten durch naturwissenschaftliche Beschreibungen zu ersetzen, sondern dies ist grundsätzlich ausgeschlossen. Denn Gründe sind keineswegs nur die subjektive Innensicht individueller Gehirnzustände, sondern weitläufig kommunikativ und historisch vernetzt. In Wirklichkeit beruht unsere Willensfreiheit auf sozial etablierten Normen.

Am Sonntagvormittag sprach Renate Bauer (Ludwigshafen) zum Thema: „Ist das wirklich mein Wille?“ Ihr Vortrag beschäftigte sich weniger mit der Frage, ob der naturale Determinismus mit der Annahme der menschlichen Willensfreiheit zusammengehen könnte, sondern mit der neueren Diskussion über das Verhältnis von bewussten und unbewussten Prozessen bei der Entscheidungsfindung. Ausgangspunkt war das sogenannte Libet-Experiment, in dem gezeigt wurde, dass vor einer bewussten Entscheidung schon Bereitschaftspotentiale im Gehirn auftreten. Dies wurde verschiedentlich zum Anlass genommen, dem Menschen Willensfreiheit abzusprechen und alle Entscheidungen als unbewusst getroffen und nur nachträglich als bewusst abgesegnet darzustellen.

Allerdings konnten weitere Experimente belegen, dass die Reichweite dieses Experiments begrenzt ist, die Entscheidung zudem rückgängig gemacht werden konnte. Komplexere Entscheidungen sind daher so nicht zu erklären. Im Folgenden wurden auf langjährige Untersuchungen zu Variablen wie Selbstkontrolle, intrinsische Motivation und Kontrollüberzeugungen eingegangen. An ihnen lässt sich zeigen, wie sehr die mentale Repräsentation des Menschen bezüglich seiner eigenen Person das Handeln beeinflusst. Überzeugungen einer eigenen Handlungsfähigkeit führen zu anderen Ergebnissen als solche, in denen Menschen sich als von außen oder ihren eigenen Impulsen gesteuert bestimmt erfahren. Außerdem sind die Zusammenhänge zwischen bewussten und unbewussten Prozessen nicht einseitig gerichtet, sondern stehen in einem engen Wechselspiel.

Fazit des Vortrages war dementsprechend, dass die Annahme der Willensfreiheit  für Menschen positive und hilfreichere Ergebnisse zeigt als die Annahme einer Determiniertheit durch unbewusste Prozesse.

Am Samstagnachmittag fanden Workshops statt, die sich in ungezwungener Atmosphäre mit den Freiheitsaspekten in Vergangenheit und Gegenwart befassten. Hervorhebenswert waren die Debatten um das Verstehen von Hölderlins Freiheitshymnen.

Die Exkursion nach Nürnberg mit einem geführten Rundgang durch das sog. Reichsparteitagsgelände am Freitagnachmittag ermöglichte konkrete Sichten auf die dunkelste Phase deutscher Geschichte von Unfreiheit.

 

Der Musische Abend am Samstag förderte das freie und entspannte Miteinander der Tagungsteilnehmerinnen und –teilnehmer. Dank gilt Silvana Uhlrich-Knoll (Potsdam) für   ihre musikalischen und literarischen Beiträge.

 

In dem Akademie-Forum am Sonntag wurden die Ergebnisse der Tagung ausgewertet und die Herausforderungen von Freiheit und Befreiung, von der Freiheit, frei zu sein (Hannah Arendt) und von der notwendigen Sicherung der Freiheitsrechte besprochen.

Die Referate werden im Band 42 der Schriftenreihe der Freien Akademie dokumentiert.

Die Tagung wurde von der Teilnehmenden als sehr erfolgreich und interessant eingeschätzt.

Den Referierenden und der Tagungsleitung wurde herzlich gedankt.


Mitgliederversammlung 2023 der FREIEN AKADEMIE

Am 18. Mai 2023 fand die ordentliche Mitgliederversammlung der FREIEN AKADEMIE in Schloss Schney/ Lichtenfels statt. Dort wurden Bilanz über die bisherige Arbeit in den letzten Jahren gezogen, der Rechenschaftsbericht des Präsidiums und der Bericht der Kassenprüfer entgegengenommen und die nächsten Vorhaben beraten.

Der Präsident dankte allen Mitgliedern und Sympathisanten der Freien Akademie e.V. herzlich für ihr Engagement, vor allem den ehrenamtlichen Präsidiumsmitgliedern, Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates, den Leitern und Referierenden auf den letzten FA-Tagungen, für die Verbundenheit und die komplexen und verschiedenen Überlegungen und Beiträge.

Die Freie Akademie wird als gemeinnützige Bildungsinstitution auch weiterhin ihre Tagungen mit interdisziplinärem Charakter veranstalten und ihre Schriftenreihe herausgeben. Kooperationen und gute Finanzierungsgrundlagen sind hierfür willkommen und notwendig.  

Die Freie Akademie ist produktiv, konstruktiv und aktiv. Wir haben sehr interessante Menschen in der Freien Akademie zusammengeführt, wir haben Erkenntnisgewinne mittels unserer Tagungen und Bücher ermöglicht und wir haben uns liberal, respektvoll und tolerant mit Daseins- und Wertefragen des Lebens auseinandergesetzt. Damit hinterlassen wir Spuren.

Das Präsidium wurde gewählt: Als Präsident der Freien Akademie wurde Dr. Volker Mueller (Falkensee) wiedergewählt. Weiterhin wurden wiedergewählt: als Vizepräsidenten Dr. Dieter Fauth (Zell am Main) und Christian Michelsen (Falkensee) und als weiteres Präsidiumsmitglied Winfried Zöllner (Berlin).

Neue Kassenprüferinnen sind Renate Bauer (Ludwigshafen) und Tina Bär (Berlin).

Vom 9. bis 12. Mai 2024 wird die nächste wissenschaftliche Tagung der Freien Akademie stattfinden. Bitte merken Sie sich den Termin vor.

  

Mitglieder der Freien Akademie können gern das Protokoll der Mitgliederversammlung beim Präsidenten anfordern.


Band 41 der Freien Akademie über „Nachhaltigkeit“ erschienen

Die Freie Akademie veröffentlicht zum Thema „Nachhaltigkeit“ ein neues Buch ihrer Schriftenreihe, inzwischen Band 41. Dieser von Ute Urban herausgegebene Sammelband legt die Ergebnisse der wissenschaftlichen Tagung der Freien Akademie im Mai 2022 vor. Die Beiträge sind aus den Fachdisziplinen der Autorinnen und Autoren. Besonders bedeutsam erscheinen die interdisziplinären Ansätze und die Gegenwartsrelevanz.

Nachhaltigkeit gilt als ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme (vor allem von Lebewesen und Ökosystemen) gewährleistet werden soll. Mit anderen Worten: Die beteiligten Systeme können ein bestimmtes Maß an Ressourcennutzung „dauerhaft aushalten“, ohne Schaden zu nehmen. Das Prinzip wurde zuerst in der Forstwirtschaft angewandt: Im Wald ist nur soviel Holz zu schlagen wie permanent nachwächst. Als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannt wurde, dass alle Rohstoffe und Energievorräte auf der Welt auszugehen drohen, ging das Verständnis dieses Prinzips bzw. der Wortgebrauch auf den Umgang mit allen Ressourcen über.

In der menschlichen Geschichte entstand schon früh die Erkenntnis, dass der Mensch auch ein Teil der Natur ist, in der er wirkend und ihren Gesetzen unterworfen lebt. Natur und Umwelt sind Lebensgrundlagen des Menschen, ja der gesamten belebten Natur auf der Erde. In den letzten Jahrzehnten haben wir Raubbau an den natürlichen Ressourcen betrieben, haben die ökologische Sicherheit sträflich vernachlässigt, Umweltprobleme globalen Ausmaßes zugelassen und Klima, Atmosphäre, Wasser, Boden, Flora und Fauna wesentlich geschädigt. Welche Ursachen sehen wir hierfür und welche Entwicklungen zu Veränderungen müssen wir umgehend einleiten? Wie kann die ökologische Wende nachhaltig gelingen?   

Eine neue Ethik und Kultur des Lebens unter Achtung der natürlichen Grenzen ist erforderlich. Ökonomie und Politik sind neu auszurichten. Wir sind hierdurch aufgefordert, globale Strategien zu entwickeln, die erdverträgliche Lebensweisen im Anthropozän ermöglichen.

Autorinnen und Autoren sind: Ute Urban, Hartmut Graßl, Dieter Fauth, Janina Taigel, Thea Stäudel und Volker Mueller.

Das Buch ist im Angelika-Lenz-Verlag, ISBN: 978-3-923834-39-6, Berlin 2022, Preis: 19,90 €, erschienen.

Dr. Volker Mueller


 

Bericht über die wissenschaftliche Tagung 2022 

zum Thema Nachhaltigkeit – Wie kann sie gelingen?

Die Tagung über die gegenwärtigen Herausforderungen des menschlichen Lebens in Natur und Umwelt wurde in der Frankenakademie Schloss Schney in Lichtenfels vom 26. bis 29. Mai 2022 durchgeführt. Die wissenschaftliche Leitung oblag Dr.-Ing. Ute Urban (Blankenburg/ Harz), die am 26.5.22 eine Einführung in die Thematik  gab, durch die die Brisanz der Thematik und die Notwendigkeiten des Natur- und Klimaschutzes erläutert wurden. Vorab eröffnete der Präsident der Freien Akademie, Dr. Volker Mueller, die Tagung. Er freute sich - nach der pandemiebedingten Verschiebung der Tagungen 2020 und 2021 - auf die Tagungsdurchführung 2022 in Präsenz und verwies auf die Vielschichtigkeit und Geschichte des Begriffs der Nachhaltigkeit und die Notwendigkeiten einer enkelgerechten Zukunft.

Prof. Dr. Hartmut Graßl (Hamburg) referierte am 27.5.22 zum Thema: Anthropogener Klimawandel – Prognosen und Messungen. Der im In- und Ausland bekannte Klimaforscher war einer der ersten deutschen Wissenschaftler, der anhand seriöser Messungen vor den Folgen des Klimawandels warnte. In seinem Vortrag stellte er den anthropogenen, also menschengemachten Klimawandel der letzten Jahrzehnte dar. Die Anzahl der Hochwasserereignisse, die Stärke tropischer Wirbelstürme, der beschleunigte Anstieg des Meeresspiegels und das Ausmaß von Hitzewellen lassen auf das Zunehmen von Wetterextremen eindeutig schließen. Daher ist die Wissenschaft von den Klimaveränderungen durch den Menschen ein gar nicht hoch genug zu bewertendes Wissensgebiet, betonte Graßl, wenn die Menschheit in den nächsten Jahrhunderten überleben will. Nur ein Ausstieg aus den fossilen Energien und die hundertprozentige Nutzung erneuerbarer Energien stellen eine Aussicht auf Sicherung des Überlebens dar.  

Dem schloss sich der Vortrag von Dr. Dieter Fauth (Zell am Main) zu Nachhaltigkeit aus Sicht der Freiwirtschaft an. Nachdem Sozialismus und Kapitalismus im Lauf der Geschichte gezeigt haben, dass sie ökologisch versagen, widmete er seinen Vortrag einem dritten großen Wirtschaftskonzept. Die Freiwirtschaft kommt ohne ständiges Wirtschaftswachstum aus, da sie den Geldfluss ohne Zinsgewinne reguliert und überhaupt ohne leistungslose Gewinne etwa durch Spekulationen mit Boden und Immobilien auskommt. Ohne solch ständiges Aufblähen der Geldmenge braucht es auch kein zwanghaft wachsendes Bruttosozialprodukt, das unsere Natur auffrisst. In einer Welt ohne Zins und ohne weitere leistungslose Gewinne wird auch nicht ständig Reichtum für Wenige auf Kosten von Armut der Vielen produziert. Ohne Reichtum und ohne Armut wird auch der exzessive Raubbau an der Natur ein Ende haben. Heutzutage wird diese Form, gemeinsam geschwisterlich zu wirtschaften, bereits in vielen Regionalgeld-Initiativen praktiziert. Allein im Chiemgau setzen die Menschen unter Einbeziehung von 600 Firmen, die das dortige Regionalgeld akzeptieren, umgerechnet jährlich ca. 7,5 Mio. EUR um. Aber auch in den USA gibt es Regionalinitiativen, wie der Film Tomorrow. Die Welt ist voller Lösungen den Tagungsteilnehmern zeigte. Nachhaltigkeit ist in all diesen Initiativen ein Standardgebot. Regiogeld-Initiativen sind Keimzellen, die Veränderungsdruck auf das herrschende Wirtschaftssystem ausüben. Schon gibt es dort z. B. ein Insolvenzgesetz, globalen Schuldenerlass oder ein Erbbaurechtsgesetz. Auch werden die Menschen dank solcher Regiogeld-Initiativen nicht bei Null beginnen müssen, wenn Sozialismus und Kapitalismus einmal vollends an ihr Ende kommen sollten.

Der Samstag wurde durch den Vortrag von Janina Taigel (Berlin) begonnen: Transformatives Lernen durch Engagement – Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Schule. Wie eine kritisch-emanzipatorische Erziehungswissenschaft junge Menschen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit begeistern kann, erklärte sie. Sie ging dabei von der Theorie transformativen Lernens aus. Diese Theorie erklärt Lernprozesse, welche zu einer Transformation von Vorurteilen und Meinungen führen und zu kritischem Denken befähigen. Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), so die Referentin, greift die Theorie transformativen Lernens für den schulischen und außerschulischen Bereich auf und artikuliert sie im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung. Maßgebliche Impulse zur Debatte über die BNE gab 2011 der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen mit seinem Gutachten „Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“, welcher von der dringenden Notwendigkeit einer post-fossilen Wirtschaftsweise und von der Machbarkeit der Wende zur Nachhaltigkeit ausging.

Vernetztes Denken – Werkzeug für den Umgang mit dem komplexen System „Klimawandel“ – war das Thema des dann folgenden Vortrags von  Prof. Dr. Thea Stäudel (Baunach). Das menschliche Denken stellt sich vordergründig in einer begrenzten Informationsverarbeitungskapazität dar, arbeitet sich in eher monokausalen Wirkketten ab und ist abhängig von der individuellen Aufmerksamkeit und Interessenlagen. Der Klimawandel ist ein komplexe Systeme, mit einer Vielzahl von Einflussfaktoren, die sich gegenseitig beeinflussen und sich eigendynamisch über die Zeit verändern, führte Frau Prof. Dr. Thea Stäudel aus. Nur das vernetzte Denken als interdisziplinäres, ganzheitliches und integrierendes Denken, das den Rückkopplungsmechanismus aller Variablen sowie lineare und nichtlineare Zusammenhänge einbezieht, bietet einer Gesellschaft, in der nachhaltig produziert und konsumiert werden soll, die nötigen komplexen Problemlösungen. Ausschließlich das vernetzte Denken kann hinsichtlich des Klimawandels valide Aussagen über die Kippunkte machen, an denen kleine Veränderungen zu großen und lang andauernden Veränderungen führen.

Der die Tagung am Sonntag abschließende Vortrag wurde von Dr. Ute Urban gehalten; das Thema war: Nachhaltigkeit – vom Modewort zum Handlungsmodell? Sie plädierte dafür, Nachhaltigkeit als „Zeit zu verstehen“: In den letzten 85 Sekunden der 4,6 Milliarden Jahre alten Erde sind 50% der Wälder der Erde zerstört worden. Sie ging vom ökologischen Imperativ aus, den der Philosoph Hans Jonas 1979 formuliert hatte: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ (Das Prinzip Verantwortung). So würde an die Stelle des Dreiecks von Ökologie, Ökonomie und sozialen Aspekten ein Säulenmodell treten, bei dem die Biosphäre die Grundlage, die Gesellschaft den mittleren Baustein und die Wirtschaft den von diesen abhängigen dritten Baustein bildet. Dabei sollten 17 „Partnerschaften“ von Nachhaltigkeitsindikatoren pro Säulenbaustein die Möglichkeit eröffnen, Nachhaltigkeit zu sichern. Zusammenfassend kann dann über die Integration der Umweltfaktoren in die wirtschaftliche Bewertung ein „Fahrplan Energiewende mit Sektorenkopplung“ entwickelt werden, der dem Ziel Nachhaltigkeit gerecht wird.

Außer Plenumsvorträge gab es auch einen Austausch in Arbeitsgruppen und offene Gespräche im Plenum und in kleineren Gruppen. Sie wurden als angenehm, konstruktiv und hilfreich eingeschätzt. Immer wieder ging es dabei auch um die individuellen Möglichkeiten,  Klima- und Umweltschutz zu bewirken bzw. zu unterstützen. Probleme wurden aufgelistet, offene Fragen erörtert und Visionen für eine enkelgerechte Zukunft auf unserer Erde entwickelt. 

 

Die Exkursion am Freitagnachmittag und der Filmabend am Samstag ermöglichten eine abwechslungsreiche Beschäftigung mit der Thematik. Die geführten Besichtigungen in der Wasserkraftanlage in Oberwallenstedt und im Bioenergiedorf Oberleiterbach haben technische und ökologische Lösungen beeindruckend präsentiert. 

In dem Akademie-Forum wurden die Ergebnisse der Tagung ausgewertet und die offenen Fragen zur Nachhaltigkeit besprochen. Die Tagungsteilnehmenden waren den Referierenden und der Tagungsleiterin, Frau Dr. Urban, dankbar.

Die leicht überarbeiteten Referate werden im Band 41 der Schriftenreihe der Freien Akademie dokumentiert.

Die Tagung wurde von der Teilnehmenden als sehr erfolgreich und interessant eingeschätzt.

Dr. Gunter Willing/ Dr. Dieter Fauth/ Christian Michelsen


Ankündigung der Tagung 2023

Die Freie Akademie lädt herzlich zu ihrer wissenschaftlichen Tagung zum Thema 

Freiheit - Möglichkeiten und Gefährdungen

vom 18. bis 21. Mai 2023 in der Frankenakademie Schloss Schney, bei Lichtenfels ein.

Spätestens seit der europäischen Aufklärung steht der Begriff der Freiheit im Zentrum politischer und philosophischer Debatten. Schon nach der „Glorious Revolution“ 1688 in England hatte John Locke die These vertreten, dass eine Regierung nur dann legitim ist, wenn sie das Naturrecht auf Freiheit gewährt und schützt. Liberté, Égalité, Fraternité - unter dieser Losung stand dann das Epochenereignis der französischen Revolution. „Der Mensch wird frei geboren, und überall liegt er in Ketten“, so hatte Rousseau 1762 den bürgerlichen Impetus gegen Absolutismus und  Aristokratie und für die Republik formuliert.

„Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? So ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung.“ Kant trifft diese Unterscheidung in dem Aufsatz, den er mit seinen berühmten Bestimmungen der Aufklärung als „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ und der Mündigkeit als des Vermögens, „sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“, einleitet. Was 1784 galt, gilt auch heute: Die Aufklärung ist nicht abgeschlossen, das Projekt ist, wie Jürgen Habermas es nannte, unvollendet. Aufklärung vollzieht sich, wenn Kritik geübt wird. Kritik vollzieht sich als „freie und öffentliche Prüfung“, der sich weder Religionen noch Regierungen „entziehen“ können. Wahrheitsansprüche, die allein auf Autorität oder Macht gegründet sind, gelten nicht.

An Versuchen, solche autoritären Wahrheitsansprüche wieder zu etablieren, fehlt es bekanntlich in unserer Gegenwart nicht. Von einem „Zeitalter der Kritik“ zu sprechen, fällt angesichts der Angriffe von Rechtspopulisten, Extremisten und Neofaschisten gegen eine „freie und öffentliche Prüfung“ schwer. Einschüchterungen bis hin zu Inhaftierungen von Journalisten weisen darauf hin, dass die Ausbildung des Vermögens, „sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“, durch Fake-News und offene Lügen verhindert und die Freiheit der öffentlichen Diskussion wie auch der Wissenschaften und Ideenvielfalt – auch durch staatliche Gewalt - gefährdet ist.

Das Projekt der Aufklärung ist nicht in dem harmlosen Sinn unvollendet, dass Kritik und Freiheit sich im Vollzug und in der Öffentlichkeit bewähren müssen, solange kritikwürdige Zustände herrschen. Das Projekt ist in dem harten Sinn unvollendet, als die Gegenaufklärung buchstäblich marschiert: Sie will den immerhin erreichten Stand kritischer Öffentlichkeit, freier Medien und politischer Freiheit nicht nur auf ein vorargumentatives Parolenwesen zurückdrehen, sie will den erreichten Stand persönlicher und politischer Freiheiten zu autoritären und nationalistischen Herrschaftsverhältnissen zurückzwingen. Das Projekt ist unvollendet und … es ist gefährdet. Die Gegenaufklärung will die politische und soziale Freiheit in Frieden und Demokratie zerstören.

Deshalb wollen wir einige Argumentationen zur politischen Freiheit aus der philosophischen Tradition diskutieren und uns des hohen Gutes der Freiheit des Menschen vergewissern. Diese Diskussionen sollen auch die Gefährdungen des Erreichten durch antihumanistische Anliegen der Gegenaufklärung in den Blick nehmen. Was lehren die Philosophie, Politikwissenschaft, Anthropologie und Psychologie u.a. zum vielschichtigen Begriff der Freiheit? Wie kann ein aufgeklärter und demokratischer Standard gegen seine Gegner verteidigt und bewahrt werden? Eröffnen sich zurzeit Möglichkeiten der Erweiterung von Freiheitsrechten überhaupt? Ist Freiheit ein Zustand oder ein fortlaufender Prozess? Hat Freiheit Grenzen? Findet Freiheit nur in der Geschichte statt?

Ein weiteres großes Thema von Freiheit soll in den Blick kommen: Haben Menschen als „vernunftbegabte Tiere“ einen freien Willen? Wenn ja, wie bildet er sich aus? Unterliegt er auch einem historischen Prozess? Oder ist Freiheit seit dem Austritt des Menschen aus der unmittelbaren Naturabhängigkeit durch die Vernunftbegabung als Tatsache gegeben? Ist der freie Wille eine Illusion, die den universellen Determinismus der Naturgesetze verkennt und übersieht?

Lassen Sie uns im Interesse der Freiheit, der Aufklärung und des Humanismus gemeinsam auf eine Reise von der Vergangenheit in unsere Gegenwart gehen, lassen Sie uns Daseins- und Wertefragen unseres menschlichen Miteinanders erörtern, lassen Sie uns interdisziplinär über einen der umstrittensten und wesentlichsten Begriffe der Politik und der Philosophie diskutieren und gemeinsam klüger werden. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen!

Anfragen können gern gerichtet werden an die:

Freie Akademie, Holbeinstr. 61, 14612 Falkensee.  

Wissenschaftliche Tagungsleiter

Dr. Volker Mueller                                        Christian Michelsen

(Präsident der Freien Akademie)


Mitgliederversammlung 2022 der FREIEN AKADEMIE

Am 26. Mai 2022 fand eine Mitgliederversammlung der FREIEN AKADEMIE in Schloss Schney statt. Dort wurden wichtige Beschlüsse zu Satzungsänderungen und zur Geschichte der FA beraten und gefasst.

Die Satzungsänderungen haben die Grundlagen der Freien Akademie zur künftigen Durchführung von Mitgliederversammlungen und Präsidiumssitzungen mittels elektronischer Kommunikation geregelt. Die Erfahrungen von Online-Versammlungen während der Pandemie sind hier eingeflossen.

Aspekte der Geschichte der Freien Akademie wurden ebenfalls besprochen und offen und freiheitlich einer Klärung zugeführt. Für die Entwicklung der Freien Akademie ist eine eindeutige Distanz zu extremistischen, undemokratischen und rassistischen Ideen und Handlungen von entscheidender Bedeutung.  Die Mitgliederversammlung der FA hat sich von den FA-Ehrenmitgliedschaften von Lothar Stengel-von Rutkowski und von Margarete Dierks einmütig distanziert.

Die Mitgliederversammlung hat die Verlängerung der Amtszeit der Kassenprüfer um ein Jahr (bis 2023) beschlossen. Die nächste FA-Mitgliederversammlung, die für den 18.5.2023 geplant ist, wird wieder Bilanz ziehen und die satzungsgemäßen Wahlen durchführen.

Vom 18. bis 21. Mai 2023 wird die nächste wissenschaftliche Tagung der FA zum Thema „Freiheit“ in der Frankenakademie Schloss Schney durchgeführt. Bitte merken Sie sich den Termin vor.

  

Mitglieder der Freien Akademie können gern das Protokoll der Mitgliederversammlung beim Präsidenten anfordern.

Dr. Volker Mueller


  

 

Tagungsflyer 2022

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Freie Akademie gibt Buch zu „Freiheit und Erkenntnis“ heraus.

Die Freie Akademie legt zum Thema „Freiheit und Erkenntnis“ den Band 40 ihrer Schriftenreihe vor. Dieser Sammelband ist in der Corona-Pandemie entstanden und soll die Tätigkeiten der Freien Akademie auch außerhalb von wissenschaftlichen Tagungen präsentieren. Er enthält Beiträge aus den Fachdisziplinen der Autorinnen und Autoren und aus interdisziplinären Zusammenhängen. Das Buch ist ein Beitrag zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den aktuellen und grundsätzlichen Daseins- und Wertfragen der Gegenwart und unseres Lebens und dient damit dem Vereinszweck der Freien Akademie. 

Die Freie Akademie verfolgt weiterhin ihre Aufgabe, den Menschen inmitten gegensätzlicher Interpretationen Orientierungshilfe zu geben und damit die Spannungen zwischen den Wissenschaften, Weltanschauungen/ Religionen und Kunstrichtungen fruchtbar zu machen. 

In diesem Buch sind Beiträge von Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats und des Präsidiums der Freien Akademie enthalten. In den Beiträgen kommt das vielfältige Spektrum des wissenschaftlichen Forschens und Bildens in unterschiedlichen Fachdisziplinen zum Ausdruck. Besonders bedeutsam erscheinen die interdisziplinären Ansätze und die Gegenwartsrelevanz.

Autorinnen und Autoren sind: Dieter B. Herrmann, Renate Bauer, Bernhard Verbeek, Ute Urban, Tina Bär, Erich Satter, Christian Michelsen, Volker Mueller und  Gunter Willing.

Das Buch ist im Angelika-Lenz-Verlag, Berlin 2022, ISBN: 978-3-923834-38-9, Preis: 19,90 €, erschienen.

Dr. Volker Mueller


Nachruf für Dieter B. Herrmann

Prof. Dr. Dieter B. Herrmann ist am 25. November 2021 verstorben. Die Freie Akademie und viele Wissenschaftskolleginnen und –kollegen haben einen großartigen Mitstreiter für Wissenschaft und Aufklärung verloren. Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Freien Akademie hat er Spuren in der Freien Akademie hinterlassen. Mit präzisem Verstand, hohem Aufklärungsanspruch, naturwissenschaftlicher und philosophischer Redlichkeit und weitreichenden Bemühungen um ganzheitliche Sichtweisen hat er durch seine interdisziplinären Ideen und durch seine Vorträge auf unseren wissenschaftlichen Tagungen unsere freiakademische Arbeit, vor allem in der Astronomie und den Kosmoswissenschaften, mitgestaltet.

Dieter B. Herrmann, Jahrgang 1939, war ein deutscher Astronom und Physiker und Autor zahlreicher Sachbücher. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten befasste er sich unter anderem mit der Frühentwicklung der Astrophysik sowie mit der Anwendung quantitativer Methoden in der Wissenschaftsgeschichte.

Herrmann studierte an der Humboldt-Universität Berlin von 1957 bis 1963 Physik. 1969 erfolgte die Promotion zum Dr. rer. nat. zum Thema Die Entstehung der astronomischen Fachzeitschriften in Deutschland (1798–1821). Er leitete vom 1. November 1976 bis 30. September 2004 die Archenhold-Sternwarte in Berlin-Alt-Treptow als Nachfolger von Diedrich Wattenberg. Im Jahr 1986 erfolgte die Habilitation Herrmanns zum Dr. sc. und die Ernennung zum Honorarprofessor. Er war 1987 Gründungsdirektor des zugehörigen Zeiss-Großplanetariums in Berlin-Prenzlauer Berg. Außerdem moderierte er populärwissenschaftliche Fernsehsendungen. Zu Herrmanns Wirken gehört seine umfangreiche Vortragstätigkeit. Er ist Autor von 46 Büchern, 150 wissenschaftlichen und etwa 2000 populärwissenschaftlichen Publikationen sowie seit 1993 zahlreicher erfolgreicher Planetariumsprogramme.

Prof. Herrmann war Mitglied der Internationalen Astronomischen Union, der European Astronomical Society, der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin, der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft, der Astronomischen Gesellschaft und anderer wissenschaftlicher Vereinigungen. Er war Mitglied des Wissenschaftsrates der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften sowie im wissenschaftlichen Beirat der von der Gesellschaft für Anomalistik herausgegebenen Zeitschrift für Anomalistik. Seit Oktober 2004 lebte Herrmann als freier Forscher und Autor in Berlin. Von 2006 bis zum Januar 2012 war er Präsident der Leibniz-Sozietät (seit 2007 Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e. V.). Am 27. Juni 2012 wurde er in den Vorstand der Urania e.V. Berlin gewählt. Am 18. Mai 2012 wurde Herrmann „für seine außerordentlichen Verdienste um die Vermittlung astronomischer Kenntnisse und für die Entwicklung der Planetariumslandschaft“ zum Ehrenmitglied der Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien ernannt.

Am 17. September 2019 wurde Herrmann mit dem renommierten Bruno-H.-Bürgel-Preis der Astronomischen Gesellschaft für hervorragende populäre Darstellungen auf dem Gebiet der Astronomie in den Medien ausgezeichnet. Er ist seit 1994 Mitglied des Beirats der Studienstiftung des Abgeordnetenhauses von Berlin und wurde 2020 durch dessen Präsidenten zum Vorstandsmitglied bestellt. Im Mai 2021 wurde Herrmann zum Ehrenmitglied der „Space Renaissance International“ ernannt. Im November 2021 wurde er mit dem „Silbernen Meridian“ der europäischen Raumfahrtvereine ausgezeichnet.

Der Kleinplanet 2000 AC204 trägt den Namen „Dieterherrmann“.

Als freier und anregender Denker und kreativer Humanist bleibt uns Dieter B. Herrmann in lebendiger Erinnerung. Seine bemerkenswerte Art, das Wesentliche zu erkunden und von verschiedenen Sichtweisen populär zu erörtern, haben wir sehr geschätzt. Unsere FA-Tagung im Mai 2015 zur Evolution des Kosmos (FA-Band 35) hat er ausgesprochen erfolgreich wissenschaftlich geleitet. Seine Beiträge haben wir sehr geschätzt. Sein letzter, uns zur Verfügung gestellter Artikel für den FA-Band Nr. 40, der Anfang 2022 erscheint, behandelt aktuelle Aspekte, was wir in Corona-Zeiten über das Wesen von Wissenschaft lernen können.

Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und seiner Familie.

Wir werden sein Andenken und wissenschaftliches Erbe in Ehren halten.

Dr. Volker Mueller

Präsident der Freien Akademie

 

 


 

Die Freie Akademie wird ihr Tagungsthema, das aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden musste, nun im Frühjahr 2022 in Präsenz durchführen. Somit lädt sie erneut zu ihrer wissenschaftlichen Tagung zum Thema 

Nachhaltigkeit – Wie kann sie gelingen? 

vom 26. bis 29. Mai 2022, in die Frankenakademie Schloss Schney, bei Lichtenfels, herzlich ein.

Alexander von Humboldt (1769 – 1859) erforschte die Erde und berichtete über ihre Zusammenhänge. Er sammelte durch seine Reisen und Beobachtungen zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse und entwickelte die Zusammenhänge der Ökosysteme und den menschlichen Einfluss darauf. Damit war er Pionier der Klimaforschung. Darauf bauen die weiteren Forschungen der letzten 250 Jahre auf und entwickelten weitergehende Modelle. Lange Zeit waren diese Prognosen und Auswirkungen nur in fernen Ländern bedrohlich. Extremwetterereignisse wie Starkregen, Klimaänderungen, Stürme und Dürre nehmen allerdings auch in Deutschland zu. Die Erde zeigt somit ihre Grenzen auf. Beängstigend ist, dass die aus den Modellen entwickelten Vorhersagen früher Realität werden und trotzdem noch angezweifelt werden. 

In der menschlichen Geschichte entstand schon früh die Erkenntnis, dass der Mensch ein Teil der Natur ist, in der er wirkend und ihren Gesetzen unterworfen lebt. Natur und Umwelt sind die Lebensgrundlagen des Menschen, ja der gesamten belebten Natur auf der Erde. In den letzten Jahrzehnten haben wir Raubbau an den natürlichen Ressourcen betrieben, haben die ökologische Sicherheit sträflich vernachlässigt, Umweltprobleme globalen Ausmaßes zugelassen und Klima, Atmosphäre, Wasser, Boden, Flora und Fauna wesentlich geschädigt. Welche Ursachen sehen wir hierfür und welche Entwicklungen zu Veränderungen müssen wir umgehend einleiten? Wie kann die ökologische Wende nachhaltig gelingen?   

Die Bewegung der „Fridays for Future“ mahnt an, aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen die entsprechenden Aktionen abzuleiten. Eine neue Ethik und Kultur des Lebens unter Achtung der natürlichen Grenzen ist erforderlich. Wir sind hierdurch aufgefordert, globale Strategien zu entwickeln, die erdverträgliche Lebensweisen im Anthropozän ermöglichen. 

Auf der Jahrestagung der Freien Akademie 2022 wollen wir anthropogen, ökonomisch, pädagogisch, verantwortungsethisch, verbraucherpraktisch und technologisch begründbare Ursachen der Menschheitskrise sowie Möglichkeiten dieser Bereiche für Nachhaltigkeit diskutieren. Wir laden Sie herzlich ein, unsere Daseins- und Wertefragen zu dieser Thematik intensiv und interdisziplinär zu erörtern.

Dr.-Ing. Ute Urban                                      Dr. Volker Mueller

Wissenschaftliche Tagungsleiterin                 Präsident der Freien Akademie

 


Mitgliederversammlung der Freien Akademie fand statt

Mittels Briefabstimmungsverfahren und Online-Versammlung am 13. Mai 2021 wurde die Mitgliederversammlung der Freien Akademie unter den Bedingungen der Pandemie durchgeführt. Die bisherigen und künftigen Aufgaben der konfessionell unabhängigen Bildungsinstitution Freien Akademie e.V. wurden beraten. Die wissenschaftlichen Tagungen, die Herausgabe der Schriftenreihe der Freien Akademie, eine gute Öffentlichkeitsarbeit und eine zielführende Zusammenarbeit mit anderen Institutionen standen und stehen im Vordergrund. Wichtig bleibt auch, neue Mitglieder zu gewinnen und mit anderen Institutionen sachbezogen zu kooperieren.

Die Freie Akademie wird ihre erfolgreiche wissenschaftliche und vor allem interdisziplinär angelegte Arbeit für alle Interessenten weiterhin gestalten. Die jährlichen Tagungen und die Schriftenreihe der Freien Akademie werden intensiv fortgeführt. Das nächste Buch der FA zum Thema „Freiheit und Erkenntnis“ wird durch Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der FA vorbereitet.

Die Satzungsänderung hat die Grundlagen der Freien Akademie nochmals ausdrücklich bekräftigt. Sie sind die Menschenwürde und die Menschenrechte sowie die freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland. Sie prägen den Vereinszweck und sind auch Grundlagen für Entscheidungen für die Aufnahme oder den Ausschluss von Mitgliedern.

Aspekte der Geschichte der Freien Akademie wurden ebenfalls besprochen und offen und freiheitlich einer Klärung zugeführt. Für die Entwicklung der Freien Akademie ist eine eindeutige Distanz zu freiheitsfeindlichen, extremistischen, undemokratischen und rassistischen Ideen und Handlungen von entscheidender Bedeutung.

Das Präsidium wurde gewählt: Als Präsident der Freien Akademie wurde Dr. Volker Mueller (Falkensee) wiedergewählt. Weiterhin wurden wiedergewählt: als Vizepräsidenten Dr. Dieter Fauth (Zell am Main) und Christian Michelsen (Falkensee) und als weiteres Präsidiumsmitglied Winfried Zöllner (Berlin).

Mitglieder der Freien Akademie können gern das Protokoll der Mitgliederversammlung beim Präsidenten anfordern.

Dr. Volker Mueller


Absage der FA-Tagung 2021

Wir mussten uns leider wieder entschließen, unsere wissenschaftliche Tagung vom 13. bis 16. Mai 2021, in der Frankenakademie Schloß Schney abzusagen. Schloss Schney hat geschlossen und wir müssen den starken Infektionsgefahren in der Corona-Pandemie und den Kontakt- und Veranstaltungsbeschränkungen Rechnung tragen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das Tagungsthema nachholen. Wir würden rechtzeitig darüber informieren.

Vielen Dank insbesondere an Frau Dr.-Ing. Ute Urban für ihre bisherige Vorbereitungsarbeit für die FA-Tagung!

In der Hoffnung auf ein gutes Überstehen der akuten Viruspandemie wünsche ich Ihnen alles Gute.

Herzliche Grüße


Dr. Volker Mueller

Präsident der Freien Akademie

P.S.: Die ordentliche Mitgliederversammlung der Freien Akademie e.V.  wird am 13.5.2021 per Brief im Umlaufverfahren durchgeführt werden. Alle Mitglieder werden fristgerecht informiert.


Ankündigung der wissenschaftlichen Tagung der Freien Akademie 2021 

Nachhaltigkeit – Wie kann sie gelingen? 

vom 13. bis 16. Mai 2021, in der Frankenakademie Schloss Schney, Lichtenfels, Schlossplatz 8 ein.

Alexander von Humboldt (1769 – 1859) erforschte die Erde und berichtete über ihre Zusammenhänge. Er sammelte durch seine Reisen und Beobachtungen zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse und entwickelte die Zusammenhänge der Ökosysteme und den menschlichen Einfluss darauf. Damit war er Pionier der Klimaforschung. Darauf bauen die weiteren Forschungen der letzten 250 Jahre auf und entwickelten weitergehende Modelle. Lange Zeit waren diese Prognosen und Auswirkungen nur in fernen Ländern bedrohlich. Extremwetterereignisse wie Starkregen, Klimaänderungen, Stürme und Dürre nehmen allerdings auch in Deutschland zu. Die Erde zeigt somit ihre Grenzen auf. Beängstigend ist, dass die aus den Modellen entwickelten Vorhersagen früher Realität werden und trotzdem noch angezweifelt werden. 

In der menschlichen Geschichte entstand schon früh die Erkenntnis, dass der Mensch ein Teil der Natur ist, in der er wirkend und ihren Gesetzen unterworfen lebt. Natur und Umwelt sind die Lebensgrundlagen des Menschen, ja der gesamten belebten Natur auf der Erde. In den letzten Jahrzehnten haben wir Raubbau an den natürlichen Ressourcen betrieben, haben die ökologische Sicherheit sträflich vernachlässigt, Umweltprobleme globalen Ausmaßes zugelassen und Klima, Atmosphäre, Wasser, Boden, Flora und Fauna wesentlich geschädigt. Welche Ursachen sehen wir hierfür und welche Entwicklungen zu Veränderungen müssen wir umgehend einleiten? Wie kann die ökologische Wende nachhaltig gelingen?   

Die Bewegung der „Fridays for Future“ mahnt an, aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen die entsprechenden Aktionen abzuleiten. Eine neue Ethik und Kultur des Lebens unter Achtung der natürlichen Grenzen ist erforderlich. Wir sind hierdurch aufgefordert, globale Strategien zu entwickeln, die erdverträgliche Lebensweisen im Anthropozän ermöglichen. 

Auf der Jahrestagung der Freien Akademie 2021 wollen wir anthropogen, ökonomisch, pädagogisch, verantwortungsethisch, verbraucherpraktisch und technologisch begründbare Ursachen der Menschheitskrise sowie Möglichkeiten dieser Bereiche für Nachhaltigkeit diskutieren. Wir laden Sie herzlich ein, unsere Daseins- und Wertefragen zu dieser Thematik intensiv und interdisziplinär zu erörtern.

Dr.-Ing. Ute Urban                                      Dr. Volker Mueller

Wissenschaftliche Tagungsleiterin                 Präsident der Freien Akademie


Das Europa-Buch der Freien Akademie erschienen.

Das Thema „“Ist Europa noch zu retten?“ steht über dem Band 39 der Schriftenreihe der Freien Akademie, der soeben erschienen ist. Herausgeber des Buches ist Dr. Gunter Willing. Er hatte die wissenschaftliche Tagung der Freien Akademie im Mai/ Juni 2019 zum gleichen Thema inhaltlich vorbereitet und geleitet. Die Beiträge entstanden aus Vortragstexten im Ergebnis der wissenschaftlichen Tagung der Freien Akademie.

Autorinnen und Autoren sind Volker Mueller, Gunter Willing, Peter Wahl, Martin Becher/ Reiner Schübel, Martin Schippan, Christiane Heimann/ Luca Civale/ Helen Gloy, Christian Michelsen, Michael Schippan, Ulrich Schöning und Dieter Fauth.

Seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wachsen die Kulturen Europas verstärkt zusammen, was sich zum einen durch Institutionen, aber auch durch die Bevölkerungs- und Wirtschaftsschwerpunkte zeigt. Zu Europa gehören heute 49 souveräne Staaten, von denen zurzeit 28 Staaten die Europäische Union bilden. 

Steht die Europäische Union für Frieden, Demokratie, Freiheit und Wohlstand? Die EU tritt in der allgemeinen Wahrnehmung meist im Krisenmodus auf. Dafür genügt es, die Schlagwörter „Brexit“, „Eurokrise“ und „Flüchtlingskrise“ in die Debatte zu werfen. 

Hat die deutsche Regierung mit ihrem Verhalten die Risse im Fundament des europäischen Vereinigungsprozesses vergrößert? Die Symptome der EU-Krise sind vielfältig und schnell benannt – aber wofür stehen sie? Ist der Europäische Gedanke weiterhin tragfähig; welche Werte trägt die EU? Diese und andere Fragen öffnen den Blick für die komplizierte Geschichte Europas und verweisen darauf, dass bedeutende Territorien unseres Kontinents jahrhundertelang nicht nach Wien, Berlin, Paris oder London ausgerichtet waren, sondern nach Rom, Konstantinopel oder Moskau. 

Die europäische Politik verschränkt sich mit dem gegenwärtigen Umbruch der Weltordnung und mit den Globalisierungsprozessen. Der „atlantische Block“, wie er sich nach dem Zweiten Weltkrieg unter Führung der USA herausgebildet hatte, erscheint zerbrochen. Die Frage nach den Beziehungen der EU sowohl zu Russland als auch zu China, zu einem Land also, in dem sich eine stürmisch wachsende kapitalistische Marktwirtschaft mit dem Gewaltmonopol seiner Kommunistischen Partei verbindet, weist auf mehrfach widersprüchliche Konstellationen. Einerseits fürchtet man in Europa gerade China als Konkurrenten und will es kleinhalten. Andererseits bietet den europäischen Unternehmen der chinesische Markt auch große Gewinnchancen. 

Rechte und populistische Kulturkämpfer, liberale Reformer und kritische, linke Europäer haben verschiedene Szenarien zur Krisenbewältigung entwickelt. Welche sind das? Verfügt die gegenwärtige Union überhaupt über einen ethischen Wertekonsens des kulturellen Zusammenhalts, die demokratischen Strukturen, die wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen und das rechtsstaatliche  Instrumentarium, um ihre komplexe und tiefgehende Krise zu lösen?

Dieses Buch widmet sich im Interesse der Aufklärung und des Humanismus einem aktuellen Thema und den interdisziplinär zu erörternden Daseins- und Wertefragen des gegenwärtigen und künftigen Zusammenlebens der Menschen auf dem Europäischen Kontinent. Die Beiträge befassen sich mit der Krise und den Chancen der Europäischen Union, ihren Ursachen, Hintergründen und Folgen sowie mit der Frage nach der Problemlösungsfähigkeit der EU. Lassen Sie uns gemeinsam auf eine Reise in unsere Gegenwart und Zukunft gehen. 

Das Buch ist über den Angelika-Lenz-Verlag, 63263 Neu-Isenburg, Beethovenstr. 96, zu beziehen. 

151 Seiten | Berlin 2020 | ISBN 978-3-923834-37-2 | 19,90 €.

Dr. Volker Mueller, Falkensee


 
Nachruf für Rolf Röber
 

Am 15. Juni 2020 ist unser langjähriges Mitglied der Freien Akademie und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Freien Akademie, unser Mitstreiter und Freund Prof. Dr. Rolf Röber verstorben. Wir verlieren einen sehr engagierten Kollegen mit ausgezeichneten und weitreichenden Fachkenntnissen. Durch seine Vorschläge und Ideen, durch seine intensive Mitarbeit im FA-Präsidium als gewählter Schatzmeister (2006 bis 2012) und durch seine Beiträge auf unseren wissenschaftlichen Tagungen hat er unsere freiakademische Arbeit bereichert. Wir erinnern uns dankbar an seine vielen Beiträge während der Tagungen der Freien Akademie, an seine wissensreiche Kritik, seine bemerkenswerten Sichtweisen und seine wertvollen Impulse, an seine Tagungsleitung und seine Texte. Unvergessen bleibt die von ihm geleitete Tagung 2011 zu den Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnik. 

Rolf Röber, Jahrgang 1941, studierte von 1962 bis 1966 Gartenbau an der TU Hannover. Er promovierte dort 1969 und arbeitete zunächst auf den Forschungsgebieten der Pflanzenernährung und der Düngemittel, dann im Zierpflanzenbau. Er vertrat von 1980 bis 2006 das Fachgebiet Zierpflanzenbau an der FH Weihenstephan und war dort Institutsleiter. Seine Lehr- und Forschungsgebiete umfassten vor allem „Umweltschonende Kulturverfahren“, „Wassermenge und –qualität“ sowie die „Qualität von Schnittblumen und Topfpflanzen“. 

Rolf Röber war ein national und international anerkannter und sehr gefragter Wissenschaftler. Er hat mehrere Fachbücher und viele Publikationen vorgelegt.  

Als selbstbewusster  anregender Denker und kreativer Wissenschaftler bleibt uns Rolf Röber in lebendiger Erinnerung. Wir werden ihn vermissen und sein Andenken in Ehren halten.

Die Freie Akademie hat einen seiner aktivsten und klugen liberalen Persönlichkeiten verloren. Wir vermissen ihn.

Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau Jutta und seiner Familie.

Dr. Volker Mueller

Präsident der Freien Akademie


 
Liebe Mitglieder und Sympathisanten der Freien Akademie,
 
anbei übersende ich Ihnen eine Information über ein wichtiges Buch zur Geschichte der Freien Akademie von Dieter Fauth.
 
Es ist m.E. sehr gut recherchiert und führt zu einer eigenen sachlichen Meinungsbildung. Das Buch ist nicht im Auftrag der Freien Akademie entstanden.
 
Ich hoffe sehr, das es Ihnen gut geht. Passen Sie auf sich in der nächsten Zeit auf...
 

Herzliche Grüße
Dr. Volker Mueller


Absage der FA-Tagung 2020
Wir haben uns schweren Herzens entschlossen, unsere wissenschaftliche Tagung vom 21. bis 24.5.20, in der Frankenakademie Schloß Schney abzusagen.
Neben der Unsicherheit, ob überhaupt Veranstaltungen im Mai durchgeführt werden können, werden auch deutlich weniger Teilnehmer zu erwarten sein.
Wir sollten bekanntlich alles dafür tun, dass der Coronavirus sich weniger und langsamer verbreiten kann.
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das Tagungsthema nachholen. Wir würden rechtzeitig darüber informieren.
Vielen Dank insbesondere an Frau Prof. Ute Urban für ihre bisherige Vorbereitungsarbeit für die FA-Tagung 2020!
In der Hoffnung auf ein gutes Überstehen der aktuellen Viruskrise wünsche ich Ihnen alles Gute.
Herzliche Grüße

Dr. Volker Mueller
Präsident der Freien Akademie
P.S.: Wegen eines neuen Termins der ordentlichen Mitgliederversammlung der FA werden wir Sie auf dem Laufenden halten.
Sie findet ebenfalls erst einmal nicht im Mai 2020 statt.

 

 


Ankündigung der wissenschaftlichen Tagung der Freien Akademie 2020 

Die Freie Akademie lädt herzlich zu ihrer wissenschaftlichen Tagung zum Thema  

Nachhaltigkeit – Wie kann sie gelingen? 

vom 21. bis 24. Mai 2020 in der Frankenakademie Schloss Schney ein.

Alexander von Humboldt (1769 – 1859) erforschte die Erde und berichtete über ihre Zusammenhänge. Er sammelte durch seine Reisen und Beobachtungen zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse und entwickelte die Zusammenhänge der Ökosysteme und den menschlichen Einfluss darauf. Damit war er Pionier der Klimaforschung. Darauf bauen die weiteren Forschungen der letzten 250 Jahre auf und entwickelten weitergehende Modelle. Lange Zeit waren diese Prognosen und Auswirkungen nur in fernen Ländern bedrohlich. Extremwetterereignisse wie Starkregen, Klimaänderungen, Stürme und Dürre nehmen allerdings auch in Deutschland zu. Die Erde zeigt somit ihre Grenzen auf. Beängstigend ist, dass die aus den Modellen entwickelten Vorhersagen früher Realität werden und trotzdem noch angezweifelt werden. 

In der menschlichen Geschichte entstand schon früh die Erkenntnis, dass der Mensch ein Teil der Natur ist, in der er wirkend und ihren Gesetzen unterworfen lebt. Natur und Umwelt sind die Lebensgrundlagen des Menschen, ja der gesamten belebten Natur auf der Erde. In den letzten Jahrzehnten haben wir Raubbau an den natürlichen Ressourcen betrieben, haben die ökologische Sicherheit sträflich vernachlässigt, Umweltprobleme globalen Ausmaßes zugelassen und Klima, Atmosphäre, Wasser, Boden, Flora und Fauna wesentlich geschädigt. Welche Ursachen sehen wir hierfür und welche Entwicklungen zu Veränderungen müssen wir umgehend einleiten? Wie kann die ökologische Wende nachhaltig gelingen?   

Die Bewegung der „Fridays for Future“ mahnt an, aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen die entsprechenden Aktionen abzuleiten. Eine neue Ethik und Kultur des Lebens unter Achtung der natürlichen Grenzen ist erforderlich. Wir sind hierdurch aufgefordert, globale Strategien zu entwickeln, die eine erdverträgliche Lebensweise im Anthropozän ermöglichen.

Auf der Jahrestagung der Freien Akademie 2020 wollen wir anthropogen, ökonomisch, pädagogisch, verantwortungsethisch, verbraucherpraktisch und technologisch begründbare Ursachen der Menschheitskrise sowie Möglichkeiten dieser Bereiche für Nachhaltigkeit diskutieren. Wir laden Sie herzlich ein, unsere Daseins- und Wertefragen zu dieser Thematik intensiv und interdisziplinär zu erörtern.

Prof.‘in Dr. Ute Urban                                    Dr. Volker Mueller

Wissenschaftliche Tagungsleiterin                 Präsident der Freien Akademie


Buch der Freien Akademie zum menschlichen Gehirn erschienen.

Das Thema „Das menschliche Gehirn“ steht über dem Band 38 der Schriftenreihe der Freien Akademie, der soeben erschienen ist. 

Über Jahrhunderte hinweg waren den Menschen das Gehirn, das Denken und Wollen, das Erinnern, Erkennen, Lernen und Erfinden ein Rätsel. Das menschliche Gehirn fasziniert Menschen seit jeher. Und auch wenn viele Geheimnisse noch verborgen sind, wissen Forscherinnen und Forscher heute mehr darüber, als je zuvor. Die einen suchen danach, wie Gefühle im Gehirn entstehen, andere danach, wie wir eigentlich lernen und Wissen erwerben. Einige forschen daran, wie sich Krankheiten des Gehirns auf unsere Persönlichkeit auswirken, andere, ob sich Intelligenz auch künstlich herstellen lässt. Fragen und Ergebnisse der gegenwärtigen Hirnforschung sind auch aus interdisziplinärer Sicht bedeutsam und zu beurteilen.

Was wissen wir heute sicher darüber, wie sich das menschliche Gehirn und Bewusstsein entwickelt hat und wie es sich weiterentwickelt? Was sind Bewusstseinsprozesse aus neurobiologischer Sicht? Was folgen daraus für psychologische und ethische Konsequenzen? Wieso streiten die Hirnforscherinnen und Hirnforscher darum, ob es einen freien Willen gibt oder nicht? Wie wird heutzutage an der Optimierung des Gehirns gearbeitet? Darf man das überhaupt, der Natur ins Handwerk pfuschen, oder muss man es, weil man es kann? Wie entstehen Emotionen in Kopf, von denen wir oft meinen, sie wären eine Sache des Herzens? Welche Fragen können Forscherinnen und Forscher heute schon beantworten und was ist offen? 

Lassen Sie uns gemeinsam auf eine Entdeckungsreise zum aktuellen Erkenntnisstand gehen, lassen Sie uns fragen und gemeinsam klüger werden. Die hier in der Schriftenreihe der Freien Akademie vorgelegten Beiträge sollen dem dienen. Den Autorinnen und Autoren sei gedankt. Ihre Beiträge entstanden aus Vortragstexten im Ergebnis der wissenschaftlichen Tagung der Freien Akademie im Mai 2018 zum Thema „Das menschliche Gehirn“. 

Herausgeber des Buches ist Dr. Volker Mueller. Er hatte mit Tina Bär die wissenschaftliche Tagung der Freien Akademie im Mai 2018 zum gleichen Thema inhaltlich vorbereitet und geleitet. 

Autorinnen und Autoren sind Volker Mueller, Katrin Preckel, Renate Bauer, Manfred Wimmer,Helmut Fink, Silvia Erika Kober, Boris Kotchoubey, Christian Michelsen und Tina Bär.

132 Seiten | Berlin 2019 | ISBN 978-3-923834-36-5 | 19,90 €

Das Buch ist über den Angelika-Lenz-Verlag, 63263 Neu-Isenburg, Beethovenstr. 96, zu beziehen. 


Bericht über die wissenschaftliche Tagung 2019 

zum Thema Ist Europa noch zu retten?

Die Tagung handelte über Europaund wurde auf der Frankenakademie Schloss Schney in Lichtenfels vom 30.05.-2.06.2019 durchgeführt. Die wissenschaftliche Leitung oblag Dr.Gunter Willing, (Halle/Saale), der ein Eingangsreferat zum Thema Wohin treibt „Europa“? Ein Problemaufrisshielt. Dabei zeigte er zunächst den „Blick der Schweiz“ auf den Europa-Wahlkampf auf. So hat die Neue Züricher Zeitung (NZZ) von einem „absurd harmonischen Wahlkampf“ gesprochen, bei dem nicht einmal die AfD eine Anti-EU-Haltung eingenommen habe. Angesichts der Tatsache, dass das EU-Parlament nicht entscheidend sei, sondern der Rat der Regierungschefs, verwies Willing auf die große Pro-Europa-Demonstration in Berlin am 22. Mai 2019. Die EU sei ein „Zwitterwesen“, kein Bundesstaat, sondern ein Verbund von national souveränen Staaten. Daher die Diskussion: Welche Ziele hat die EU? 

In einem zweiten Teil unternahm Willing eine Annäherung an die Probleme Europas auf der Grundlage eigener Beobachtungen und Begegnungen bei einer Serbien- und Albanienreise im Jahr 2017. So berichtete er von den aus Ungarn nach Serbien vertriebenen Roma-Camps und von den Spannungen, die die Frage des EU-Beitritts Serbiens bis in die Familien trägt; in Novi Sad seien in einer Familie Vater und Sohn für einen serbischen Beitritt, der Großvater strikt dagegen. An der serbisch-rumänischen Grenze finden sich an einem Gräberfeld von ca. 10 000 Kriegsgefangenen drei Denkmäler, für den ersten und den zweiten Weltkrieg und eins für die Bombardements Belgrads und Serbiens durch die Nato 1999. In einer aus Deutschland ausgewiesenen albanischen Familie ist Willing einem in Deutschland aufgewachsenen Kind begegnet, das kein Albanisch spricht und in der Heimat seiner Eltern völlig entwurzelt ist. Er schloss diesen Teil seines Vortrags mit Hinweisen auf den immensen Anstieg der Aufwendungen im deutschen Verteidigungshaushalt (von 40 Milliarden auf 60-85 Milliarden Euro) und dem aus dem Lissabon-Vertrag hervorgehenden Programm, die Brücken in Ost-Europa „panzertauglich“ zu machen.

Den letzten Teil seines Vortrags widmete Willing dem derzeit erfolgreichsten europäischen Rechtpopulisten, dem Innenminister Matteo Salvini. Von ihm stamme die Formel „Das Boot ist voll.“ In der Lega Nord groß geworden, verfolge er besonders drei Ziele. Erstens den Kampf gegen den „Hauptfeind“ Brüssel; Brüssel stelle einen „Staatsstreich auf Raten“ gegen Italien dar. Deswegen muss zweitens Italien vor Migranten in „Kreuzzügen“ geschützt werden: „Prima Italia“. Oder auch: „Wir gegen Illegale“. Drittens soll die Elite Italiens entmachtet werden. Seine ideologische Formel dafür: Elite = Volksfeinde, Ich bin nicht Elite, Ich = Volk. So ist die Grundlage des Rechtspopulismus die Unterteilung der Gesellschaft in das wahre Volk und die korrupte Elite. Als Populist gibt Salvini vor, den wahren Volkswillen zu kennen. Demagogie als Volksverführung radikalisiert deswegen immer die Zweiteilung „Wir-Die“: „Die“ sind die Bedrohung, „Wir“ haben Angst; Probleme sind verursacht durch die „Anderen“, „Die“ bedrohen „Uns“. Deshalb müssen „Wir“ uns wehren und die Populisten treten als diejenigen auf, die Widerstand und Schutz vor den „Anderen“ garantieren. So entsteht ein Feld von Gegensätzen: System – Volk, Elite – Bürger, EU-Diktatur – Nationalstaat, Multikulti – unsere Kultur, Willkommenskultur – Volksgemeinschaft. In der Diskussion ist auf Gefahren für Europa durch den Rechtspopulismus verwiesen worden: Eskalationsspiralen in den Medien und auf öffentlichen Plätzen, die Zunahme des Verschwörungsdenkens und die „Erhöhung der Dosis“ bis hin zur Gewalttätigkeit. Diese Gefahren bestehen auch deswegen, weil der Rechtspopulismus für die tatsächlichen Probleme Europas gar keine Lösungen anbieten kann. 

Peter Wahl, Worms, eröffnete seinen Vortrag zum Thema Nach den Wahlen zum EU-Parlament: Wo steht die Europäische Union? Was sind ihre Zukunftsaussichten?mit Hinweisen auf prinzipielle Probleme der EU. Es handele sich der Intention nach um eine „Wiederherstellung des Nationalstaats auf höherer Ebene“. Ihr Kern sei die Friedenssicherung in Europa. Als Nichtstaat und Allianz mit supranationalen Komponenten sei die EU zugleich ein „Hybridgebilde“. Der Souveränitätstransfer enthalte zugleich die Erosionsgefahr. Besonders hob Wahl die „informellen Strukturen der Macht“ hervor, wie sie sich in der Hierarchie Deutschland – Frankreich zeigen. Die EU befindet sich in einer multiplen Krise. Die Schuldenkrise (s. Griechenland, Italien), der Brexit und seine möglichen Folgen sowie der Euro als „Währung ohne Land“ sind schon schwerwiegende Konfliktquellen, aber schwerer wiege noch die „Inkompatibilität von Deutschland und Frankreich“. Spaltungslinien seien Subzentren wie Visigrad, die Dreimeeresinitiative und die Hanseatic League. Die Krisen vermehren den Kontrollverlust und führen zu einer „schleichenden Erosion“ der EU. Die Überforderung der EU-Institutionen stelle sich als ein „gordischer Knoten“ dar, wobei kein Alexander in Sicht sei.

Martin Becher, Alexandersbad, referierte zum Thema Dimensionen, Erfolge und Herausforderungen kirchlichen Engagements gegen Rechtsextremismus und -populismus. Er stellte die Arbeit verschiedener kirchlicher und kirchlich übergreifender Bündnisse dar, die sich gegen Rechtsradikalismus wendet. Das Bayerische Bündnis für Toleranzist hierbei das größte einschlägige Engagement, in dem sich ausschließlich landesweit aufgestellte Akteure verschiedener Couleur vereinigen: staatliche Stellen wie z.B. Landesministerien, kommunale Spitzenverbände, kirchliche Einrichtungen und Institutionen der Zivilgesellschaft. Alle diese Akteure übernehmen Verantwortung aufgrund einer bestimmten Grundüberzeugung. Ein großer Anteil des Handelns der Akteure besteht darin, intern eigene Probleme mit Toleranz und rechtem Denken und Handeln zu klären. Ihr Sitz ist in der evangelischen Bildungseinrichtung in Alexandersbad nahe Wunsiedel. Da dort Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß bestattet ist, ist dies ein Pilgerort für Neonazis. Durch das Einschreiten des Bündnisses ist heute die Verherrlichung ehemaliger Nazi-Größen in Deutschland strafbar. Das Bündnis gedenkt jetzt der Opfer eines Todesmarsches, der durch Wunsiedel ging. Das Jahresschwerpunktthema 2019 des Bündnisses ist Europa. Es ist mit einem Bus und einem Wahlomat in 14 Städten auf Tour. Viele Akteure der ev. Landeskirche in Bayern, die sich mit Rechtsradikalismus befassen, treffen sich mit dem Bündnis für Bayern zwei Mal im Jahr an einem runden Tisch, so dass die innerkirchliche Unterstützung des Anliegens groß ist. Zu bedenken ist, dass die Rechten sich auch theologisch aufstellen, etwa mit dem Slogan ‚Luther würde NPD [AfD] wählen‘. Die ev. Landeskirche ist als Amtskirche recht staatsnah, in Gemeinden aber oft zivilgesellschaftlich verortet. Daher besteht oft eine Spannung zwischen Amtskirche und Basis; jedoch nicht beim Thema Rechtsradikalismus. So wurde ein kirchliches Handlungskonzept gegen Rechts als Publikation mit historischer, theologischer und politischer Begründung von der Landessynode einstimmig verabschiedet. – Der Referent ist auch Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche gegen Rechtsextremismus, die 2011 auf dem Kirchentag in Dresden gegründet wurde. Diese AG arbeitet auch mit linken Gruppen zusammen und ist geprägt durch Aktion Sühnezeichen und Gedenkstättenarbeit. – Dann gibt es die Ev. Bildung in Europa, wo der Referent Vorsitzender des Beirats ist. Dieses Gremium beobachtet einschlägige europäische Vorgängen und meldet diese europäischen Einrichtungen. Auf europäischer Ebene gibt es noch die Gemeinschaft ev. Kirchen in Europa, wo Bayern zur osteuropäischen Gruppe gehört. Hier ist die große Heterogenität der Gruppe ein Problem das Engagements verhindert. Überhaupt läuft europäisch herzlich wenig zum Thema und die Deutschen müssen aufpassen, nicht als Besserwisser dazustehen. Zu bedenken ist auch, dass die europäische Rechtsprechung weicher gegen Rechte ist als die deutsche Rechtsprechung.

Dr. Martin Schippan, Berlin, befasste sich in seinem Vortrag zum institutionellen Demokratiedefizit der EU und seinen geschichtlichen Grundlagen, vor dem Hintergrund, dass Brüssel vielfach als Leviathan wahrgenommen wird, mit drei Demokratiedefiziten der EU: Ein prinzipielles Problem der EU sei die fehlende Gewaltenteilung. Nur die Legislative, das Parlament sei legitimiert, während die Exekutive, der Rat, und die Judikative, der Gerichtshof, nicht durch ein Staatsvolk legitimiert seien. Auch das Wahlrecht zum Parlament realisiere nicht das Prinzip „one man, one vote“, sondern die „degressive Proportionalität“ verleihe z.B. Malta mehr Stimmrecht als Deutschland. Insgesamt liege eine „Verschränkung von Exekutive und Legislative vor, die dem Prinzip der Gewaltenteilung nicht gerecht wird und in der Geschichte der EU begründet ist. Zweitens führe ein prinzipieller Mangel an Transparenz der Entscheidungsfindungen zu dem „vielbeklagten Akzeptanzproblem der EU“, was sich auch am Einfluss von „Wirtschaft und Finanzwesen“ zeigt (Lobbyismus). Damit hänge drittens das „Partizipationsdefizit“ der EU-Bürger zusammen. Auch kann die EU in die Gesetzgebung ihrer Mitgliedstaaten eingreifen, so dass EU-Recht in der „Normenhierarchie“ z.B. in Deutschland Bundes- und Landesrecht brechen kann. An die Stelle einer direkten Legitimation tritt die „indirekte Legitimation durch internationale Verträge“. Die EU tritt ihren Mitgliedsstaaten gegenüber als „Hüterin der Verfassung“ auf (Polen). Überwindung der Legitimationsmängel, der institutionellen Demokratiedefizite und der Intransparenz müsste gelingen, direkte Legitimation und mehr Partizipationsmöglichkeiten wären Wege, die eine positive Beantwortung der Tagungsfrage: „Ist Europa noch zu retten?“ ermöglichen würden.  

Reinhard Lauterbach, in Polen lebender Redakteur und Buchautor, befasste sich mit dem Thema Austritt oder ‚Realismus‘ – Wohin steuert Polen in der EU?mit dem Land, das mit am stärksten seine nationalstaatliche Interessen in der EU behauptet und „Rosinenpickerei“ betreibt. Die Europawahl wurde geradezu als Kulturkampf organisiert, allerdings in der öffentlichen Wahrnehmung von einem Film über Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche überdeckt. Wegen dieses Angriffs auf die Identität haben viele Katholiken erst recht national-konservativ gewählt. Dabei hat der EU-Beitritt Polen bereits Erhebliches gebracht. Polen wurde modernisiert, bes. im Verkehrswegenetz (Straßen, z.B. Umgehungsstraßen; Schienen), mit einem dichten WLAN-Netz, … Auch wurde die hohe Sockelarbeitslosigkeit von 15% erfolgreich exportiert, besonders nach Großbritannien. Heute besteht 4% Arbeitslosigkeit, was praktisch Vollbeschäftigung entspricht. 1,5 Mio. Ukrainer leben in Polen und arbeiten in Branchen, in denen die Polen in Deutschland arbeiten (Bau, Landwirtschaft, Altenpflege). Bei den Löhnen ist der Median bei 650 EUR; 2 Drittel der Einkommen liegen unter 1.000 EUR. Es gibt ein hohes Lohngefälle gegenüber Deutschland. Die Entsenderichtlinie sorgt dafür, dass zu den Bedingungen des Landes, in dem gearbeitet wird, angestellt werden muss. Ansonsten wären noch mehr Polen auf dem europäischen Markt zu finden. Z.B. wird 25% des LKW-Verkehrs in Europa durch Polen bestritten. Polen erhält erhebliche Zahlungen aus den EU-Fonds und ist das größte Empfängerland. Diese Zahlungen bewirken 1,5% Wachstum pro Jahr. Die Integration in den europäischen Markt brachte Polen große Vorteile, nicht nur in der LKW-Spedition, auch in der Möbelindustrie (IKEA produziert in Polen), der Autozulieferung (Daimler produziert alle Getriebe in Polen; VW den Caddy und einen Kleinlastwagen.). – Doch weiterhin äußert sich die Regierung negativ über die EU und warnt vor Abhängigkeit und Entmündigung. Vor allem gibt es eine starke Skepsis gegen soziokulturelle Entwicklungen aus der EU: gegen die plurale Kultur, den Bereich Gender, z.B. die Sexualerziehung in Schulen, Umbau von der Industrie- in eine Dienstleistungsnation. Es herrscht Skepsis gegen die postmaterialistischen Trends in der EU. Mit dem Selbstbewusstsein, dass „Polen das Herz Europas“ sei, will die Regierung die EU so verändern, dass das Nationalstaatliche gestärkt wird. Die Regierung ist gegen den Brexit, weil sonst die Konservativen im EU-Parlament geschwächt wird. Trotz allem sind 80% der Polen mit der EU-Mitgliedschaft zufrieden. 2 Drittel der Exporte Polens geht in die EU, bes. nach Deutschland. Auch Deutschland hat mehr Handel mit Polen als mit Russland (Daher treffen die USA-Boykote gegen Russland Deutschland nicht so stark.). Daher hat Polen allerdings von stark anti-europäischen und stark anti-deutschen Parolen Abstand genommen. – Wie blickt umgekehrt die EU Auf Polen? Eine Wertedebatte bzw. eine Debatte um Vertragsverletzungen (beim Umgang mit Flüchtlingen) hat politisch nichts gebracht und ebbt ab. Auch Deutsche betreiben eine Beschwichtigungspolitik. Z.B. drängt Schäuble Polen nicht, den Euro anzunehmen. Es gibt auch kaum Kritik am Abdriften Polens weg von Rechtsstaatlichkeit. Und das Antirussische der deutschen Politik hat immer pro-polnische Implikationen. – Es ist kein Exit Polens zu erwarten, denn die EU ist das Schwungrad für Polen. Doch will Polen die Gemeinschaft weitgehend auf den Markt und das Militär beschränken. Politisch will Polen die antirussische Politik der EU zementieren. Stoppen will Polen eine Wertedebatte in der EU (Gender, Demokratie, Solidarität, …). Polen und die EU wollen auch keinen Euro für Polen, solange Polen nicht auf dem Marktniveau der EU ist. Polen will mehr amerikanische Militärpräsenz auf polnischem Boden und darüber zu Größe in Europa gelangen. Es hat auch die Hoffnung, dass die USA in Polen investiert, z.B. ins Verkehrswegenetz Nord-Süd (die EU investierte vor allem in West-Ost). Man hofft also auf einen Aufstieg als Front-Staat. Die USA können mit der Aufwertung Polens die EU destabilisieren und Polen sabotiert die Bestrebungen der EU, zu mehr weltpolitischer Macht zu kommen. Vielmehr wird das US-Oberkommando gestärkt. Der Vorsitzende des Europäischen Rats, der Pole Donald Tusk, wird in Polen als Liberaler keine politische Karriere erwarten können. Hoffnung ist die polnische Justiz mit Amtsinhaber, die im Durchschnitt 40 Jahr jung sind. Der Systemwechsel ist dort vollzogen. Sie wehren sich dagegen, Weisungsempfänger der Politik zu werden. Vor allem auf unteren juristischen Ebenen gibt es parteiferne Entscheidungen. Allerdings machen parteinahe Richter schnell Karriere und kassieren dann die unteren Urteile. 

Dr. Christiane Heimann, Hildesheim, stellte die Asylpolitik der EU – Sackgasse oder Baustelle? Auswege aus der Flüchtlingspolitik auf europäischer, nationalstaatlicher und lokaler Ebenevor. Nachdem es 2015 eine Flüchtlingskrise gegeben haben mag, gab es 2018 eine EU-Solidaritätskrise. Helfen soll ein Europa der 2 Geschwindigkeiten. Die Referentin schlägt vor, die Städte als Entwickler pragmatischer Lösungen auf EU-Ebenen einzubeziehen. Es gibt eine Kommission mit Vertretern aller Ebenen (EU, Staaten, lokale Ebenen) und einem entsprechenden Wissensaustausch. Auch die private (!) Seenotbrücke arbeitet mit Städten zusammen, die bereit sind, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Es gibt kein Verfassungsrecht auf Asyl auf EU-Ebene, da es hier keine Verfassung gibt, so wie im GG. Aber es gibt immerhin die Genfer Flüchtlingskommission. Wichtig ist auch die Fluchtursachenbekämpfung durch Abschaffung unfairer Handelsabkommen und die Zerstörung dortiger Märkte, z.B. durch Altkleiderexport dorthin, etc. Auch sollte ein Zuwanderungsgesetz für Deutschland kommen, in dem für eine für beide Seiten faire Zuwanderung gesorgt wird, so dass nicht dort gebrauchte Arbeitskräfte abgezogen werden. In Diskussion ist, ob das Asylrecht mit dem Einwanderungsrecht gekoppelt werden sollte („Spurwechsel“). 

Außer Plenumsvorträgen gab es auch ein Austausch in Arbeitsgruppen.Die von Dr. Volker Mueller moderierte AG Flucht – Migration – Integration hat sich folgende Schwerpunkte für die dreistündigen Debatten gesetzt: Flucht und Fluchtwege; Bekämpfung von Fluchtursachen; Integration. Die aktuellen Fluchtwege über das Mittelmeer wurden als äußerst dramatisch charakterisiert. Die (kriminellen) Schlepper sind durch die EU konsequent zu bekämpfen. Die fehlenden Seenotrettungen, die Ernährungsprobleme, Medizin und Hygiene sind humanitäre Aufgaben der EU und der zivilgesellschaftlichen Initiativen. Die EU müsse Aufklärung über Flucht und Asyl für geflüchtete Menschen schon zu Beginn der Flucht (im Ursprungsland bzw. in Nordafrika) organisieren. – Die HelferInnen der NGO’s für die Geflüchteten sind besser vorzubereiten und zu qualifizieren. Ebenfalls sind die Entwicklungshelfer zu den Asyl- und Fluchtfragen besser zu qualifizieren. Wichtig ist eine gute Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort. Dabei steht außer Frage, dass Asyl aufgrund politischer und religiös-weltanschaulicher Verfolgung respektiert und gewährt wird. Die politischen und wirtschaftlichen Fluchtursachen sind durch die EU vor Ort zu erkennen und zu bekämpfen; dazu gehört auch der Austausch mit Afrika „auf gleicher Augenhöhe“. Die Migration muss in Deutschland gesetzlich klar geregelt werden. – Die Integration der Menschen, die in Deutschland Asyl erhalten, sind sensibel zu gestalten. Sie sollen anständig wohnen, arbeiten können und ernährt werden, die Kinder sollen Bildung erfahren, alle sollen die deutsche Sprache erlernen. Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Für die Zeit des Asylverfahrens stehen humanitäre Hilfen und ein interkultureller Austausch im Vordergrund. Menschenwürde und Menschenrechte leiten unsere Integrationsarbeit.

Die AG Russland und Europa. Russland in Europa ist von Dr. Michael Schippan vorbereitet und moderiert worden. Nach einer historischen Einführung in die Problematik von Schippan wurden anhand von schriftlich vorgelegten „Diskussionsfragen“, die mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis versehen sind, folgende Schwerpunkte in der dreistündigen Debatte diskutiert: Russland unter Putin: Demokratie oder „Tataren-Khanat“?; Russland und der „Westen“: Der Ukraine-Konflikt; Nationalbolschewismus und Eurasien. – Die Präsidentschaft Wladimir Putins wurde innenpolitisch eher kritisch beurteilt: Drangsalierung von Oppositionellen und Homosexuellen etc. sowie gewalttätige Unterdrückung von Autonomiebestrebungen innerhalb der Russischen Föderation können auf prinzipielle Defizite von Demokratie und Zivilgesellschaft verweisen. Putins Präsidentschaft stünde dann in einer spezifisch russischen Tradition, die vom Khanat über Iwan den Schrecklichen und die Zaren bis zu Stalin und Putin führe. Dagegen ist geltend gemacht worden, dass seit der Entstalinisierung und dem Ende der SU trotz Rückschlägen unbestreitbare Fortschritte bei der Demokratisierung Russlands stattgefunden haben und stattfinden. Auch die Außenpolitik Russlands wurde kontrovers diskutiert, besonders der Ukraine-Konflikt. Auf der einen Seite wurde die Eingliederung der Krim als Rechtsbruch und Aggression Russlands beurteilt; das Referendum sei wertlos. Auf der anderen Seite wurde die Eingliederung der Krim wie auch der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine als Reaktion Russlands auf die seit der Auflösung der SU betriebene Einkreisungspolitik der Nato für berechtigt angesehen. Dabei seien Zusagen (wie z. B. vom damaligen Außenminister Genscher) gebrochen worden und die Nato-Grenzen bis an die russische Grenze vorverlegt worden. Die verschiedenen Konzepte, die im ideologischen Feld des neuen Nationalismus in Russland kursieren, sind historisch und anhand der Auffassungen des russischen Philosophen Dugin diskutiert worden. Der Nationalbolschewismus als rassistische Ideologie ist einhellig als Gefahr beurteilt worden, während das Eurasien-Konzept Dugins als problematischer und ferner Wunschtraum eines russischen Imperialismus diskutiert wurde. Realistische Verständigungs- und Friedenspolitik (Minsker Prozess) sind von der Arbeitsgruppe übereinstimmend als geboten und unbedingt notwendig zur Friedenssicherung in Europa angesehen.

Dr. Dieter Fauth, Zell a. Main, zeigte sowohl auf einer Exkursion nach Nürnbergals auch auf einemFilmabend zur EU, wie Europapolitik heutzutage Gegenstand der Schulbildung ist. Die politologische Schulbildung ist bei Weitem nicht mehr rein national ausgerichtet, sondern soll Wissen schaffen und Sympathie wecken für eine EU und deren Politik. Bei der Exkursion nach Nürnberg konnte deutlich werden, wie EU-Maßnahmen auf kommunaler Ebene bedeutsam sind und wie Schülern didaktisch-methodisch hierfür gebildet werden. Z.B. erfahren wir vor dem Hintergrund des Henkerturms in Nürnberg, in dem bis 1806 der Henker der Stadt wohnte, dass alle Städte in der EU heute von der Grundrechtecharta und vom Gerichtshof der EU geprägt sind, so dass allüberall die Menschenrechte gelten und eine Nation, in der noch die Todesstrafe gilt, nicht EU-Mitglied werden kann. Weiterhin ist zu erfahren, dass das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg im 14. Jh. als soziale Einrichtung für Alte und Bedürftige gestiftet wurde und auch heute noch ein Seniorenheim ist. Vor allem werden heute in Nürnberg soziale Aufgaben aber mit EU-Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. So sind pro Jahr in Nürnberg ca. 50 Projekte EU-gefördert, davon 28 durch den ESF. Es werden Personen unterstützt, die sich weiterbilden möchten, Schüler erhalten beim Übertritt ins Berufsleben Berufsorientierung und Bewerbungstraining, EU-gefördert sollen mehr Männer in Kitas, Schüleraustausche werden gefördert u.v.m. Für all dies fließen von Brüssel viele Mio. Euro nach Nürnberg. Weiterhin ist der Besuch von Schülern wie auch von uns FA-Mitgliedern einer Ausstellung am Ort der Kriegsverbrecherprozesse und der Begründung des Völkerrechts im Justizpalast in Nürnberg durch die EU gefördert. Diese Prozesse und das Völkerrecht sind eine wesentliche Grundlage für das sich neu formierende Europa. Der Filmabend zeigte, wie im Schulunterricht Grundwissen über die EU mit einem positiven hoffnungsvollen pädagogischen Impetus vermittelt wird, ohne dass auf Diskursivität verzichtet würde. Allerdings kommen Fragen zu kurz, an welchen Werten und kulturellen Überzeugungen sich die EU orientieren könnte. Z.B. kommt sachlich und pädagogisch zu kurz, dass die EU historisch als Friedensprojekt begann und auch heute primär sei. 

Christian Michelsen, Studienrat in Falkensee, stellte die Bedeutung des antiken Griechenlands für Europa am Leitfaden exemplarischer Texte den Übergang vom mythischen Bewusstsein zur frühgriechischen Naturphilosophie dar. Anhand zweier Passagen aus der „Theogonie“ des Hesiod (um 700 v.Chr.) wurde aufgezeigt, dass die Naturauffassung des Mythos durch Personalisierung der Naturgewalten gekennzeichnet ist. Diesen Animismus überwinden die ersten Philosophen Europas aus Milet. „Homer lügt“ kann als Schlachtruf dieser Naturphilosophen angesehen werden. Sie versuchen eine arché, ein Urelement, eine Substanz, die dem Kosmos zugrunde liegt, zu bestimmen; Thales das „Wasser“, Anaximander das „grenzenlos-Unbestimmte“, Stoff im Allgemeinen. Dieser Unterscheidung einer „wahren Welt“ von der Welt der sinnenfälligen Dinge liegt das prinzipielle Misstrauen gegen die sinnliche Wahrnehmung und die ontologische Stabilität der dem Werden und Vergehen unterworfenen Welt zugrunde. Es kann von einer „metaphysischen Zäsur“ gesprochen werden, durch die der Beginn von Philosophie und Wissenschaft in Griechenland geschieht. An die Stelle der Götter-Erzählungen treten argumentativ gestützte Behauptungen über einen naturgesetzlich bestimmten Kosmos. Die Kritik am Anthropomorphismus der mythischen Götter wird von Xenophanes dann explizit ausgeführt. Als exemplarischer Text für diesen Übergang wurde die Wagenfahrt des Parmenides „ins Licht“ im Proömium seines Lehrgedichts als eine Fahrt vom „Mythos zum Logos“ ausgelegt, wie die problematische Formel lautet, eine Fahrt aus einem  Täuschungszusammenhang in die „Wahrheit“ der Beschaffenheit des Kosmos. Auf der Grundlage der Unterscheidung von Wesen und Erscheinung konnten sich Philosophie und Wissenschaft zunächst in Griechenland bis zu einer ersten Aufklärung in Athen und dann in der weiteren Geschichte Europas fortentwickeln. Von Hellas nach Hesperien: Europas Entfaltung von Wissenschaft und Technik seit der Renaissance vollzog sich auf der von den ersten Philosophen gegen den Mythos geschaffenen Grundlage. Die Welt ist nicht „voll von Göttern“ (Thales), sondern voll von Naturgesetzen.

Dr. Gunter Willing betonte in seinem abschließenden Resumée, dass sich die Tagungsgemeinschaft schwer getan hat, Antworten auf Probleme der EU zu finden, allerdings klar geworden sei, dass der Rückzug auf den Standpunkt der Nationalität keine Option sei. Die Fliehkräfte seien in der EU zurzeit stark. Aber wir stehen keinesfalls vor einem Scherbenhaufen. Nach innen sollten weiterhin gleiche Freiheit und gleicher Wohlstand für alle angestrebt werden. Transnationale Konzerne dürften nicht länger am Gemeinwohl vorbei handeln können. Bewegungen von unten sollten EU-Gremien mit beeinflussen. Nach außen sollte wieder die EU als Friedensprojekt ins Zentrum rücken. Dazu gehöre z.B. auch Russland. 

Die Tagung wurde von der Teilnehmenden als sehr erfolgreich und interessant eingeschätzt.

Dr. Dieter Fauth / Christian Michelsen / Dr. Volker Mueller


 

Nachruf 

Unser langjähriges Mitglied der Freien Akademie Hartmut Heyder (Neustadt am Rübenberge) ist am 7. März 2019 im Alter von 94 Jahren verstorben. Wir trauern mit der Familie. 

Wir erinnern uns dankbar an seine vielen Beiträge während der Tagungen der Freien Akademie, an seine wissensreiche Kritik, seine bemerkenswerten Sichtweisen und seine wertvollen Impulse, an seine Tagungsleitung und seine Texte.

Er hat sich seit der Nachkriegszeit bis in die letzten Jahre für das freie und humanistische Denken intensiv eingesetzt und war viele Jahre als sozialdemokratischer Abgeordneter aktiv. Von 1985 bis 1989 war er auch Vizepräsident des Volksbundes für Geistesfreiheit, des heutigen DFW. Zu seinem 90. Geburtstag hatte ich ihm noch persönlich gratulieren können. 

Wir vermissen ihn.
 
Dr. Volker Mueller
Präsident der Freien Akademie

Foto: Hartmut Heyder während der Tagung 2014 der Freien Akademie, mit seiner Frau Herta.


Neue Bankverbindung der FA


Die Freie Akademie e.V. hat ein neues Konto eingerichtet.
Ab sofort gilt nur noch folgende Bankverbindung:

Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam,
IBAN: DE10 1605 0000 1000 5254 02
BIC: WELADED1PMB


Ankündigung der Tagung 2019

Die Freie Akademie lädt herzlich zu ihrer wissenschaftlichen Tagung zum Thema 

Ist „Europa“ noch zu retten? 

Europa in Gegenwart und Zukunft. 

vom 30. Mai bis 2. Juni 2019, in der Frankenakademie Schloss Schney ein.

Steht die Europäische Union noch für Frieden, Demokratie, Freiheit und Wohlstand? Vor der Europawahl im Mai 2019 tritt die EU in der allgemeinen Wahrnehmung fast nur im Krisenmodus auf. Dafür genügt es, die Schlagwörter „Brexit“, „Eurokrise“ und „Flüchtlingskrise“ in die Debatte zu werfen. Zentrifugale Kräfte wirken allerorten. Den europafreundlichen „Volksparteien“ kommen die Wähler abhanden. Als neue Unterart des Homo politicus tritt aggressiv der „Wutbürger“ auf. Offensichtlich lässt sich die europäische Einigung nicht qua EU-Gesetzgebung herstellen. Die ungarische Regierung greift die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit an, während die polnische Regierung eine „Re-Christianisierung“ Europas als spezifische europäische Lösung des Migrationsproblems fordert. Zum Beispiel sowohl in Budapest als auch in Warschau bezweifeln die herrschenden Eliten öffentlichkeitswirksam, dass Brüssel legitimiert ist, ihre Politik zu kritisieren. 

Die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 ist nicht gelöst, sondern schwelt weiter. Vieles deutet darauf hin, dass die nächste Erschütterung vor der Tür steht. Beendet ist auch nicht die Diskussion über die nationale Beschränktheit der deutschen Antikrisenpolitik, die sich während der Krise von 2007 gegen eine gemeinsame europäische Bankenrettung gestemmt hatte. Hat die deutsche Regierung mit ihrem Verhalten die Risse im Fundament des europäischen Vereinigungsprozesses vergrößert? Die Symptome der EU-Krise sind vielfältig und schnell benannt – aber wofür stehen sie? Ist der Europäische Gedanke weiterhin tragfähig; welche Werte trägt die EU? Ist eine Erweiterung der EU in Richtung Westbalkan angesichts der europäischen Krise ratsam? Diese Fragen öffnen den Blick für die komplizierte Geschichte Europas und verweisen darauf, dass bedeutende Territorien unseres Kontinents jahrhundertelang nicht nach Wien, Paris oder London ausgerichtet waren, sondern nach Konstantinopel. Und wenn angesichts der Krise der EU über die Geschichte Europas von den „Rändern“ her nachgedacht wird, muss auch Russland und sein Comeback als Großmacht in den Fokus der Betrachtung eingeschlossen werden. Dann stellt sich heraus, dass die alten Fragen nach dem Verhältnis von Russland zu Europa und von Europa zu Russland neu diskutiert werden müssen. 

Die europäische Politik verschränkt sich mit dem gegenwärtigen Umbruch der Weltordnung und mit den Globalisierungsprozessen. Der „atlantische Block“, wie er sich nach dem Zweiten Weltkrieg unter Führung der USA herausgebildet hatte, ist zerbrochen. Trump will mit seiner US-amerikanischen Administration den atlantischen Konsens durch eine Vielzahl von ihm diktierter Deals ersetzen. Die Frage nach den Beziehungen der EU zu China, zu einem Land also, in dem sich eine stürmisch wachsende kapitalistische Marktwirtschaft mit dem Gewaltmonopol seiner Kommunistischen Partei verbindet, weist auf mehrfach widersprüchliche Konstellationen. Einerseits fürchtet man in Europa China als Konkurrenten und will es kleinhalten. Andererseits bietet den europäischen Unternehmen der enorm große chinesische Markt auch große Gewinnchancen. Jede Investition in China aber trägt dort zur weiteren ökonomischen Entwicklung bei. 

Rechte und populistische Kulturkämpfer, liberale Reformer und kritische, linke Europäer haben verschiedene Szenarien zur Krisenbewältigung entwickelt. Welche sind das? Verfügt die gegenwärtige Union überhaupt über einen ethischen Wertekonsens des kulturellen Zusammenhalts, die demokratischen Strukturen, die wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen und das rechtsstaatliche Instrumentarium, um ihre komplexe und tiefgehende Krise zu lösen? Wir wollen die Krise und die Chancen der Europäischen Union, ihre Ursachen, Hintergründe und Folgen sowie die Frage nach der Problemlösungsfähigkeit der EU erörtern.

Lassen Sie uns im Interesse der Aufklärung und des Humanismus gemeinsam auf eine Reise in unsere Gegenwart und Zukunft gehen, lassen Sie uns interdisziplinär unsere Daseinsfragen diskutieren und gemeinsam klüger werden. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen!

Anfragen können gern gerichtet werden an die: 

Freie Akademie, Holbeinstr. 61, 14612 Falkensee.  

Dr. Volker Mueller                                                    Dr. Gunter Willing

Präsident der Freien Akademie                                 Wissenschaftlicher Tagungsleiter


Mitgliederversammlung der Freien Akademie tagte

Die bisherigen und künftigen Aufgaben der konfessionell unabhängigen Bildungsinstitution Freien Akademie e.V. wurden auf der Mitgliederversammlung am 10. Mai 2018 beraten. Die wissenschaftlichen Tagungen, die Herausgabe der Schriftenreihe der Freien Akademie, eigene Arbeiten zur Vor- und Frühgeschichte der Freien Akademie, eine gute Öffentlichkeitsarbeit und eine zielführende Zusammenarbeit mit anderen Institutionen standen und stehen im Vordergrund. Die Freie Akademie wird ihre erfolgreiche wissenschaftliche und vor allem interdisziplinär angelegte Arbeit für alle Interessenten weiterführen. Gute und interessante Angebote werden weiterhin unterbreitet.

Die weitere Finanzierung der Arbeit der Freien Akademie wurde ebenfalls offen erörtert. Dabei wurden Weichen für einen nachhaltigen Einsatz unserer vorhandenen Ressourcen gestellt. Wichtig sind dabei auch, neue Mitglieder zu gewinnen und mit anderen Institutionen zu kooperieren.

Das Präsidium wurde planmäßig gewählt: Als Präsident der Freien Akademie wurde Dr. Volker Mueller (Falkensee) wiedergewählt. Weiterhin wurden gewählt: als Vizepräsidenten Dr. Dieter Fauth (Würzburg) und Christian Michelsen (Falkensee) und als weiteres Präsidiumsmitglied Winfried Zöllner (Berlin).

Mit großem Dank für ihr enormes Engagement für die Freie Akademie wurden Dr. Martin Scheele (Brieselang) und Tina Bär (Berlin) aus dem Präsidium verabschiedet. Sie kandidierten nicht wieder.


Nachruf für Franz M. Wuketits

Die Freie Akademie und viele Freundinnen und Freunde und Wissenschaftskolleginnen und –kollegen haben einen großartigen Mitstreiter für Wissenschaft und freie Forschung verloren. Prof. Dr. Franz M. Wuketits ist am 6. Juni 2018, in Wien verstorben. Als Mitglied der Freien Akademie und langjähriges Mitglied ihres Wissenschaftlichen Beirates hat er Spuren in der Entwicklung der Freien Akademie hinterlassen. Mit präzisem Verstand, wissenschaftlicher Redlichkeit, hohem fachlichen Engagement und weitreichenden Fachkenntnissen hat er durch seine interdisziplinären Ideen und durch seine Vorträge auf unseren wissenschaftlichen Tagungen, die er auch mehrfach geleitet hatte, unsere freiakademische Arbeit wesentlich mitgestaltet. Vor allem in den Biowissenschaften, der Entwicklungstheorie, der Ethik und der Philosophie hat er Bleibendes beigetragen.

Franz M. Wuketits, Jahrgang 1955, studierte von 1973 bis 1978 Zoologie, Paläontologie, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte an der Universität Wien. Nach seiner Protomotion (1978) erhielt er im Jahr 1980 dort die Lehrbefugnis. Er lehrte und forschte am Institut für Philosophie der Universität Wien mit dem Schwerpunkt: Philosophie der Biowissenschaften und erhielt Lehraufträge und Gastprofessuren an mehreren anderen Universitäten (Universität Graz 1987 – 2004, Technische Universität Wien 1998 – 2003, Universität der Balearen in Palma de Mallorca 2006/ 2008/ 2009/ 2010).

Seit 2002 war Franz Wuketits Vorstandsmitglied des Konrad-Lorenz-Instituts für Evolutions- und Kognitionsforschung in Altenberg an der Donau. Er war in mehreren wissenschaftlichen Beiräten - wie dem der Giordano-Bruno-Stiftung und dem der Wiener Bibliotheksinitiativen - sowie in Beiräten wissenschaftlicher Zeitschriften tätig. Er war ordentliches Mitglied der naturwissenschaftlichen Klasse der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste.

Er hat über 40 Bücher und etwa 500 Publikationen vorgelegt. Er war Herausgeber und Mitherausgeber von ca. 20 Sammelbänden.

Als freier und anregender Denker und kreativer Humanist bleibt uns Franz Wuketits in lebendiger Erinnerung. Seine bemerkenswerte Art, das Wesentliche zu erkunden und von verschiedenen Sichtweisen zu erörtern, und seine wohlwollende Kollegialität haben wir sehr geschätzt. Noch auf unserer letzten FA-Tagung im Mai 2018 hätten wir gern seinen Vortrag zur Evolution des menschlichen Gehirns, wie mit ihm vorbesprochen, gehört und diskutiert. Leider kam es nicht mehr dazu.

Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und seiner Familie.

Wir werden ihn vermissen und sein Andenken und wissenschaftliches Erbe in Ehren halten.

Dr. Volker Mueller

Präsident der Freien Akademie


 

Wissenschaftliche Tagung der Freien Akademie über Das menschliche Gehirn auf der Frankenakademie Schloss Schney in Lichtenfels vom 10.-13.05.2018

Dr. Volker Mueller und Tina Bär gestalteten gemeinsam die Einführung in die Tagung, indem sie interessante Themenaspekte zur Sprache brachten sowie die 30 Tagungsteilnehmer miteinander ins Gespräch brachten. Zunächst blickte Mueller kurz auf die Evolution des menschlichen Gehirns und berichtete, dass das Gehirn des Menschen in den letzten 1 Mio. Jahren relativ zum Körpergewicht mehr als bei jeder anderen Gattung gewachsen sei. Heute sei das Gehirn beim Menschen relativ zum Körpergewicht gesehen so schwer wie bei keinem anderen Lebewesen. Werkzeug- und Waffenherstellung seien für die Ausbildung der technischen Intelligenz wichtig gewesen. Aber die eigentliche Triebkraft für die Entwicklung des menschlichen Gehirns seien soziale Herausforderungen gewesen. Schimpansen z.B. können ca. 55 Mitglieder in Gruppen überblicken, der Mensch Gruppen von ca. 200 Mitgliedern. Das entspricht der Größe von frühgeschichtlichen Jagdgruppen. Komplexere Formen der Informationsverarbeitung werden von den jüngsten Regionen des menschlichen Gehrins bewältigt, der erweiterten Hirnrinde. In der Hirnforschung gibt es viele Fragen, die auch nach großen Anstrengungen der Fachwelt ohne gesicherte Antwort bleiben. Unter der Moderation von Tina Bär sprach anschließend jeder Teilnehmer kurz über eines seiner Interessen am Tagungsthema. Hier kam rein Neurologisches zur Sprache, die Wechselwirkung von Psychosozialem und Neurologischem; Religionen bzw. Philosophie und Ethik aus neurologischer Sicht, z.B. das Verhältnis von Materiellem zu Nichtmateriellem, also z.B. Biochemische zu geistigen Prozessen, aber auch die Frage nach dem freien Willen und der menschlichen Verantwortung. Interesse fand auch das Verhältnis von künstlicher zu menschlicher Intelligenz. Bei einem anschließenden Quiz gab es überraschende Einsichten: z.B. werden im Gehirn pro Sekunde 1 Mio. Verknüpfungen hergestellt. Weiterhin war interessant, dass die lebenserhaltenden Funktionen beim Menschen vom ältesten Teil des Gehirns, dem Hirnstamm gesteuert werden, der im Inneren des Gehirns sitzt. Diese existentiellen Funktionen sind Herzschlag, Atmung, Wärme-, Wasser- und Energieverbrauch des menschlichen Körpers. Die elektrischen Reize, die für den Austausch zwischen den Neuronen sorgen, haben die Geschwindigkeit eines Rennautos mit 360 km/h.

Dr. Katrin Preckel, Leipzig arbeitet am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaftssprache im Bereich soziale Neurowissenschaft und sprach über das „soziale“ Gehirn. Ihre Erkenntnisse bezog sie aus dem Vergleich von Hirnbetrachtungen bei neurologisch unauffälligen und bei Menschen mit Autismus. Dieser Vergleich macht deutlich, dass soziale Kompetenzen im Gehirn neurologisch und anatomisch Ausdruck finden. Im Gehirn gibt es eine sozial-affektive Domäne, die z.B. für Empathie wichtig ist, sowie eine sozial-kognitive Domäne, bedeutsam z.B. für die Einnahme eines Perspektivenwechsels. Dies kann mithilfe von Experimenten belegt und beobachtet werden. So können einem Proband ein Foto von einem schmerzhaften und ein ähnliches Foto von einem nicht schmerzhaften Vorgang gezeigt und jeweils die Hirnströme gemessen werden. Damit wird der Sitz im Gehirn für die Fähigkeit zur Empathie sichtbar. Auch können die Hirnströme eines Probanden mit einer Aufgabe gemessen werden, die er nur lösen kann, wenn er sich in die Lage eines Anderen versetzt. Weiterhin gibt es neurologisch aufschlussreiche Experimente mit Aufgaben aus dem Bereich der sozialen Zusammenarbeit. So stellt eine Schauspielerin eine Person dar, die verzweifelt ist, weil ihre krebskranke Schwester weitere Medikamente ablehnt. Danach haben die Probanden mehrere Möglichkeiten zur Auswahl, was die Schauspielerin über die Schwester wohl denkt. Solche Experimente mit zwei Probandengruppen im Vergleich zeigen nicht nur etwas über das soziale Gehirn, sondern auch über autistische Personen. Demnach ist Autismus ein neuronaler Defekt (mit genetischem Ursprung) mit Defiziten in der sozialen Kommunikation und Interaktion. Die Gabe des Hormons Oxytocin verbessert die neuronale Aktivität in den relevanten Hirndomänen. Die Wirkung der Medikamentengabe wird wiederum experimentell kontrolliert. Z.B. erhält der autistische Proband eine soziale oder eine monetäre Belohnung und es wird geschaut, ob nach Gabe des Hormons die Wertschätzung der sozialen Belohnung zunimmt. Da das Gehirn ein sehr plastisches Gebilde ist, d.h. sehr flexibel Defizite durch neue Verknüpfungen kompensieren kann, können auch anatomische Hirnabweichungen, wie sie bei Autisten beobachtet werden, „repariert“ werden. Außerdem kann während der Wirkung des genannten Hormons ein Sozialtraining durchgeführt werden, dessen Lerneffekt auch über die Hormonwirkung hinaus anhält.

Prof. Dr. Boris Kotchoubey von der Universität Tübingen befasste sich mit Bewusstseinsprozesse aus neurobiologischer Sicht. Sein Vortrag konzentrierte sich auf den Zusammenhang von Gehirn, Bewusstsein und Verhalten. Das Gehirn ist die steuernde, oberste Instanz. Gewiss haben Bewusstseinsprozesse immer neuronale Korrelate. Aber für das Bewusstsein ist das Gehirn nur notwendig und keinesfalls hinreichend. Im Gehirn befinden sich nur Mechanismen, aber keine Gedanken, Empfindungen und Gefühle als Phänomene des Bewusstseins. Auch arbeitet das Gehirn parallel in tausenden Vernetzungen, das Bewusstsein aber arbeitet seriell, das heißt, bearbeitet seine Prozesse nacheinander. Die Vorgänge des Bewusstseins gehen auch von einem Zentrum aus, von einer Ich-Perspektive, und grenzen von sich die Objekte draußen ab. Das Gehirn arbeitet aber ohne eine solche Zentrierung. Insofern steht das Bewusstsein dem Verhalten näher als dem Gehirn, denn auch das Verhalten geht von einer Ich-Zentrierung und von der Unterscheidung von Subjekt und Objekten aus. Freilich ist Bewusstsein auch nicht Verhalten, denn Bewusstsein ist immateriell und innerlich, Verhalten aber gegenständlich und äußerlich. Das Bewusstsein ist allenfalls ein spezielles Verhalten in einer virtuellen, modellhaften Welt. Zwischen Gehirn und Verhalten wiederum gibt es größere Nähen als zwischen Gehirn und Bewusstsein, denn das Gehirn steuert das Verhalten. – Wie aber entsteht aus Materie (Gehirn) Geistiges (Bewusstsein)? Hier kann der Vergleich mit dem Geld helfen: So wie das Geld völlig materiell ist, hat auch das Bewusstsein immer ein materielles Korrelat in bestimmten Hirnaktivitäten. Doch so wie das Geld erst durch den Umlauf als solches entsteht, so entsteht auch das Bewusstsein erst in der Auseinandersetzung und Interaktion mit der Umwelt.

Helmut Fink, Nürnberg, widmete sich dem Thema Willensfreiheit im Zeitalter der Neurowissenschaften. Ist der Mensch frei, eine Entscheidung bzw. einen Willen zu bilden oder ist er darin neurologisch festgelegt? Bei dieser Frage geht es um das Menschenbild bzw. Selbstbild sowie um die Deutungsmacht über das Menschenbild. Gebührt diese Macht den Naturwissenschaften oder den Geisteswissenschaften bzw. der Neurowissenschaft oder der Philosophie bzw. der Empirie oder der Spekulation? Ein bestimmtes Experiment der Neurowissenschaft hat die jahrhundertealte Debatte um die Willensfreiheit (Erasmus vs. Luther /[16. Jh.] / Descartes vs. Comenius [17. Jh.]) neu entfacht: ein Proband soll sich entscheiden, eine Taste zu drücken oder nicht zu drücken und den Zeitpunkt, wann seine Entscheidung gefallen ist, mittels einer Uhr festzuhalten. Die Entscheidung fiel 200 Millisec. vor der Tat, aber 500 Millisec. vor der Tat kam es zur einschlägigen neuronalen Aktivität. Also verursacht die neuronale Konstellation die Willensbildung und wir meinen lediglich, der Wille sei frei. Freilich gibt es Einwände gegen diesen Versuch und gegen diese Interpretation des Versuchs: Ungeklärt bleibt, wie es denn zu der jeweiligen neuronalen Konstellation kommt. Weiterhin könnte es ja sein, dass eine Entscheidung langsam heranreift, bevor sie bewusst wird. Und dieses Heranreifen hat ja bereits eine neuronale Basis. Trotz der Bedenken gibt es Neurowissenschaftler, die behaupten, Verschaltungen würden uns festlegen und wir sollten aufhören, vom freien Willen zu sprechen (Singer). Nun hat eine andere Versuchsanordnung diese Position relativiert: ein Proband soll gegen einen Computer ein Wettspiel machen. Wenn der Proband einen Knopf bei grün drückt, erhält er einen Punkt, drückt er bei rot, erhält der Computer einen Punkt. Gleichzeitig wird der Computer darauf programmiert, sofort auf rot zu schalten, wenn im Gehirn des Probanden sich die neuronale Konstellation zur Entscheidung einstellt, zu drücken. Tatsächlich kam es vor, dass es dem Probanden gelang, wegen eines Umschaltens auf rot den Knopf doch nicht zu drücken. Das heißt, es gibt doch einen Spielraum zu einer Willensentscheidung gegen eine andere neuronale Konstellation. Der Referent schlug als Lösung vor, sich nur vom Begriff der absoluten, unbedingten Willensfreiheit zu verabschieden; einer Vorstellung, die lebenspraktisch sowieso ohne Relevanz ist. Vielmehr gibt es einen Willensprozess des Abwägens. Willen bildet sich aufgrund von Gründen. Durch diesen Prozess des Durchdenkens habe ich die neuronale Konstellation individuell mir angeeignet (oder verworfen?).

Prof. Dr. Silvia Kober, Neuropsychologin an Institut für Psychologie der Univ. Graz, sprach über den Einsatz von Neurofeedback zum Training verschiedenster Hirnleistungen in unterschiedlichen Bereichen. Voraussetzung dafür ist es, dass die Probanden lernen, die eigene Hirntätigkeit zu kontrollieren. Dazu bekommt der Proband eine bestimmte Aufgabe, z.B: entspannt und fokussiert zugleich zu sein. Der Neurologe weiß, wie für diesen Zustand die Hirntätigkeit aussieht, misst per EEG die Hirntätigkeit beim Proband und gibt dem Probanden per Bildschirmdarstellung ein Feedback, ob es ihm gelungen ist. Gelungen ist es z.B. dann, wenn auf dem Bildschirm ein mittlerer Balken hoch ist und zugleich zwei äußere Balken klein. Es handelt sich hier um eine Form von Bio-Feedback. Z.B. kann der Mensch ja Einfluss nehmen auf seine Atmung oder seinen Herzschlag. Aber Hirnströme kann der Mensch nicht spüren, so dass es dieser Visualisierung braucht, wenn der Proband auch hier Einfluss nehmen will. Wie ihm das erfolgreich gelingt, muss er durch Versuch und Irrtum selbst herausfinden. Zum Beispiel kann die Aktivierung des sensomotorischen Rhythmus (SMR) der Hirnströme Epilepsieanfälle verhindern bzw. verringern. Diese SMR-Frequenz wird aktiviert, wenn der Proband es schafft, völlig entspannt und zugleich maximal fokussiert zu sein (wie die Katze vor dem Mausloch). Tatsächlich kann man durch Neurofeedback lernen und dann trainieren, den SMR zu erhöhen. Weitere Anwendungen dieses Trainings sind in den Bereichen Angststörung, Depression, Schlafstörungen, Migräne, Tourette-Syndrom, etc. mehr oder weniger möglich. Auch bei ADHS kann ein solches Training helfen. Es gilt, die Delta-Wellen im EEG, die normalerweise kurz vor dem Einschlafen verstärkt auftreten, zu minimieren. Mit dem Aufputschmittel Ritalin kommen diese Patienten auf ein normales Aktivierungslevel; aber es geht auch mit Neurofeedback-Training. Der Einsatz dieses Trainings ist nicht nur im mentalen Bereich, sondern auch zur Förderung von kognitiven Funktionen möglich. Dies ist besonders bei Schlaganfallpatienten (Gedächtnis, Wortschatz, ...), evtl. auch bei Schädel-Hirn-Trauma oder Demenz möglich. Auch bei Multiple Sklerose (MS) ist dieses Training möglich. Bei MS greift das eigene Immunsystem Nerven im Gehirn an. Je nachdem wo, wird der muskuläre Apparat beeinträchtigt, oft aber auch kognitive Bereiche wie Gedächtnis oder Aufmerksamkeit. Auch motorische Funktionen können über Neurofeedback trainiert werden. Denn auch wenn ich mir eine Bewegung nur vorstelle, löst dies dieselbe Hirntätigkeit aus wie wenn ich die Bewegung ausführe. So kann durch Vorstellen der Bewegung die reale Bewegung angeregt werden. Unterstützt werden kann das Training, indem zur Vorstellung die assistierte Bewegung durch den Therapeuten oder einen Roboter kommt. Eine Anwendung in diesem Bereich sind z.B. Schkuckstörungen. Die Trainierbarkeit gilt aber auch für Gesunde, z.B. im Sport hinsichtlich kognitive Fähigkeiten für Schach, Golf, Dart. Z.B. können die Hirnströme bei einem Golfer gemessen werden, wenn er erfolgreich einlocht und wenn nicht.

Renate Bauer, praktische Psychologin, referierte über ethische Fragen der Gehirnforschung. Hierbei sind drei Perspektiven bedeutsam. Was kann die Hirnforschung für die Ethik beitragen? Welche ethischen Maximen könnten die Hirnforscher bei ihrer Arbeit leiten? Und welche Ethik könnte uns Nutzer bei der Anwendung der Hirnforschung leiten? Wie die Vorträge von K. Preckel und S. Kober bereits zeigten, kann der Mensch auf neurologischem Weg Fähigkeiten erlernen oder stärken, die für die Ethik bedeutsam sind, z.B. die Balance von Kognitivem und Emotionalem, Empathie, den Perspektivenwechsel, etc. Eingriffe der Hirnforschung müssen allerdings im Rahmen der allgemein gültigen Würde, des Selbstbestimmungsrecht und der Unantastbarkeit der Authentizität des Menschen, der Chancengleichheit für alle, der Freiwilligkeit, etc. geschehen. Hier gibt es sowohl bei physischen Eingriffen ins Gehirn mit Mikrochips oder Elektroden für Strom zum Zweck der Hirnstimulation Gefahren als auch bei nicht invasiven Manipulationen des Gehirns durch Stoffe (Koffein, Nikotin, Alkohol, Stimuli wie Ritalin, ...). Zum Beispiel liegen Fragen nach der Gerechtigkeit bzw. Chancengleichheit beim Einsatz von Neuroprothesen (Prothesen, die über das Nervensystem mit dem Gehirn verbunden sind) nahe, da dies sehr teuer und damit nicht allgemein anwendbar ist. Psychische Auffälligkeiten, Verhaltensdispositionen könnten z.B. durch stimulierende Stoffe neurologisch vor allem deshalb manipuliert werden, weil sie gesellschaftlich unerwünscht erscheinen. Es sollte doch bei der Gabe von Stoffen stets das Recht des Menschen auf Authentizität beachtet bleiben und ein Stoff nur so dosiert verabreicht werden, dass für den Klienten die Chance bleibt, die mit dem Stoff verbundene Veränderung als selbst gewollte Veränderung anzueignen. Der Mensch könnte auf neurologischem Weg der stressigen Arbeitswelt angepasst werden, statt die Arbeitswelt den natürlichen Bedürfnissen des Menschen. Die Überwindung der biologischen Grenzen (Transhumanismus) mittels der Neurologie birgt ethische Problematiken. Weiterhin könnte seelischer Schmerz nur entsprechend der gesellschaftlich verbreiteten Haltung, Leiden zu meiden, neurologisch unterdrückt und damit die mit diesem Schmerz verbundenen notwendigen Aufarbeitungsprozesse, z.B. Trauerarbeit, verhindert werden. Da gedankliche Inhalte bestimmten Gehirnaktivitäten (bedingt) zugeordnet werden können, können Denken, Absichten, Emotionen (bedingt) identifiziert werden. Das mag erfolgreich bei der Kommunikation mit komplett Gelähmten angewendet werden, ist aber sonst ethisch problematisch. Nicht von ungefähr sind Lügendetektoren im Rechtssystem in Deutschland im Namen der kognitiven Freiheit und des Schutzes auf Privatheit sowie der Selbstbestimmung über persönliche Daten verboten. Bei all den angedeuteten, mit der Neurologie verbundenen ethischen Problemen ist auch zu bedenken, welches Handeln der Einzelne entscheiden darf und wann es einer allgemeinen Regelung bedarf.

Christian Michelsen, Studienrat für Philosophie, Latein und Griechisch, sprach über das Buch L’homme machine (1747) mit – so seine These – Gründungscharakter für die moderne Neurologie. Dieses Buch von Julien Offray de La Mettrie (1709-1751) war für Aufklärer schwer tolerierbar, da radikal materialistisch. Sein Verfasser musste sogar aus den Niederlanden weichen, das sonst für die Freizügigkeit beim Buchdruck besonders bekannt war. La Mettrie war Agnostiker und Skeptiker. Er ergriff – z.B. in der Frage, ob es ein höchstes Wesen gebe – keine Partei und fand in dieser Urteilsenthaltung Seelenruhe und Glück. In einem war er allerdings entschieden: dass es außer Materie nichts gibt. Er widersprach Descartes, der von einer denkenden Substanz ausging. Als Empiriker ließ La Mettrie nur gelten, was der Erfahrung und Beobachtung zugänglich ist. Res cogitans ist für ihn ein Hirngespinst, die immaterielle Seele ein leerer Begriff. Der Mensch ist nur eine Maschine, zusammengesetzt aus Triebfedern. Aber: der Mensch ist eine „erleuchtete Maschine“. Die Seele ist eine Haupttriebfeder, ein Bewegungsmotor, des ganzen Mechanismus Mensch. Sie ist die „Einbildungskraft“ und als solche das Zentrum des Gehirns. Alle mentalen Ereignisse sind, vom Gehirn(zentrum) erzeugt, physisch. Zustände der Seele treten nur auf, wenn parallel körperliche Zustände einhergehen. Die Nähe von La Mettrie zur Neurologie besteht in den Thesen (1.) Es gibt nur eine Substanz, die Materie, also res extensa, (2.) von der zentralen Steuerung des Menschen durch sein Gehirn und darin, dass (3.) Seele als „Imagination“ / „Einbildungskraft“ zentraler Teil des (materiellen) Gehirns sei (Weitere Eigenschaften der Seele sind Wahrnehmung, Empfindung und Denken). Alle mentalen Ereignisse sind (!) demnach physische Ereignisse (Monismus: Identität von Körper und Seele). Der Seelenzustand steht immer in einem Zusammenhang zum Körper. (4.) Denken ist eine Eigenschaft von Materie wie Elektrizität, Bewegungsvermögen, Ausdehnung, etc.

Eine von verschiedenen Arbeitsgruppen befasste sich im lockeren Anschluss an den Vortrag von Prof. Kotchoubey mit dem Bewusstsein. Zunächst setzte man der statischen Vorstellung von Materie als Substanz die Vorstellung von Materie als Organisationsprinzip (Atome, Moleküle, Zellen, ...) entgegen. Damit ist der Begriff Materie flexibilisiert hin zu einem Funktionsbegriff. Für das Bewusstsein sind Gehirn, Nervensystem, Rückenmark die materielle Grundlage. Evtl. hat das Bewusstsein aber nicht nur eine elektrische, sondern auch bio-chemische (materielle) Grundlage. Denn auch bio-chemisch bedingte Zustände und Prozesse in meinem Körper sind eine Grundlage für die Bewusstseinsbildung des ja ganzheitlichen Menschen. Strittig blieb, ob Bewusstsein selbst Materie ist oder auf Materiellem aufruhendes Immaterielles. Möglicherweise ist das Bewusstsein eine Eigenschaft der Materie, so wie Härte oder Masse Eigenschaften eines Steines sind. Dann wäre Bewusstsein selbst Materie und alles wäre Materie. Denn auch Energie, Magnetismus, Gravitation sind Materie und als solche messbar. Möglicherweise können auch Bewusstseinsvorgänge einmal gemessen werden und uns fehlen heute nur noch die Instrumente dazu. Möglicherweise ist das Bewusstsein aber auch etwas Immaterielles, das aber auf alle Fälle auf Materiellem basiert, so wie es Prof. Kotchoubey vergleichend mit dem Geld vorstellte. Weiterhin kreiste die Diskussion um die Frage, wodurch Bewusstsein in Erscheinung tritt. Hier gab es die Meinung, Bewusstsein sei die Erkenntnis, dass ich verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Entscheidung habe. Evtl. beginnt Bewusstsein aber viel niederschwelliger, z.B. als Körperempfinden bzw. als Erleben, dass ich denke. Teil unseres – wie immer qualifizierten – Bewusstseins ist das Denkvermögen. Dies ist geprägt von Kultur, Bildung, Traditionen, etc. Das Bewusstsein ist also alles andere als eine tabula rasa. Weiterhin wurde noch die Frage nach dem Sitz des Bewusstseins aufgeworfen. Das Gehirn ist das Steuerzentrum. Aber der ganze Mensch ist ein Feedback für das Bewusstsein und bewusstseinsbildend. Schließlich wurde bemerkt, dass sich aus dem Bewusst-Sein nie eindeutig das Sollen ableiten lässt. Die Urteilskraft ist nicht nur im Bereich des Bewusst-Seins, sondern im Bereich des Sollens, womit man bei der Ethik angekommen ist.

An einem Abend sah die Tagungsgemeinschaft den Film von Petra Seeger über den Hirnforscher Eric Kandel (Auf der Suche nach dem Gedächtnis). Als Wiener Jude wurde ihm das Mantra der Holocaust-Überlebenden „Niemals vergessen“ zur Verpflichtung und im Jahr 2010 erhielt er für seine Forschungen zum Gedächtnis den Medizinnobelpreis. Der Film zeigt sein Leben im Nationalsozialismus, seine Erinnerung daran und was die Verbindung dieser Bereiche uns über das Gedächtnis lehrt – eine wunderbare Verknüpfung von Leben und Lehre.

Dr. Manfred Wimmer, Biologe und Philosoph am Department für Evolutionäre Anthropologie der Univ. Wien sprach über das Gehirn und die Emotionen. Bereits zu den Emotionen gibt es verschiedene Erklärungen, z.B. das Komponentenmodell. Demnach haben Emotionen eine physiologische (körperliche), eine expressive (mimische), eine subjektive (erlebnisorientierte) und eine kognitive (vernünftige) Komponente. Dies könnte freilich ergänzt werden, z.B. um eine sprachliche Komponente, denn wir erleben eine Emotion anders, wenn wir sie mehr oder weniger differenziert versprachlichen können. Bei der Sicht auf das Gehirn wird im Folgenden vom triune brain (dreigeschichteten Gehirn) ausgegangen: Schicht 1 wird als Reptiliengehirn bezeichnet, ist im Gehirn ganz innen, das Stammhirn sowie verlängerte Rückenmark und eben im Erdzeitalter der Reptilien gebildet; Schicht 2, das alte Säugetiergehirn, ist das limbische System, Zwischen- und Kleinhirn, entstanden vor ca. 6 Mio. Jahre; Schicht 3 betrifft u.a. Großhirn, Neocortex, bes. den Frontallappen. Schicht 1 zuzuordnen ist z.B. die Schreckreaktion, wenn wir plötzlich einer Schlange gegenüberstehen. Schicht 1 ist Schrittmacher für darüber liegende Schichten und reguliert die Grundhaltung, vom Koma bis zum klaren Wachzustand. Hier geht es um die Regulierung der grundlegenden physiologischen Milieus, z.B. dem bio-chemischen, hormonellen Haushalt. Von der Außenwelt wird hier direkt nichts wahrgenommen, sondern nur über die Veränderung im tiefen Inneren. Schicht 2 ist, philosophisch gesagt, der Sitz der „Stimmung“; nicht kognitiv durchdrungener emotionaler Zustände, unsere grundlegende Seinsverfassung: Angst, Panik, Wut, Neugier, Trauer, Furcht, Glück, ... Allerdings können diese basalen Emotionen nicht verortet werden, da eher neuronale Netzwerke und Substrate bedeutsam sind. Über den Hypothalamus, das vegetative, autonome Nervensystem, wird der Aktivitätsgrad bestimmt, in dem wir uns emotional befinden. Es arbeitet antagonistisch, d.h. es arbeitet mit zwei entgegengesetzten Zuständen. Der Sympathikus steht für Angriff, Kampf, ..., der Parasympathikus für Ruhe, Entspannung, ... Ein Gleichgewicht ist angestrebt. Die in Schicht 2 verhandelten Emotionen haben vielerlei Funktionen. Z.B. bieten sie einen internen Zustandsbericht, bewerten die Wahrnehmungen, bauen Motivation auf und energetisieren denM Menschen, stützen das Gedächtnis (was [in Schicht 3] emotional belegt abgespeichert wird, wird besser erinnert), dienen der Verhaltensflexibilisierung, stärken das Soziale (Affekte halten Individuen als Gruppe basal zusammen), etc. In Schicht 2 gibt es im limbischen System auch spezifische Areale, z.B. den Mandelkern (Amygdala). Er ist zuständig für Angst bzw. Aggression, z.B. für das Erkennen eines wütenden Gesichtsausdrucks als solchen. Bei posttraumatischen Belastungsstörungen „feuert“ der Mandelkern sehr niederschwellig. Der Mandelkern alarmiert den Hypothalamus in der 3. Schicht. Schicht 3, z.B. der frontale Cortex, Neocortex, ist das jüngste Kind der Evolution. Beim Einzelnen ist die Cortexbildung erst mit 20 / 25 Jahren abgeschlossen und zwar auf recht individuelle Weise. Diese Schicht ist wichtig für das Lernen und Gedächtnis, die Organisation von Wissen, Impulse zum Auslösen von Handlungen. Schicht 3 ist nicht direkt an Emotionen beteiligt, reagiert aber auf Emotionen. Z.B. sind bei Angst oder Stress das Lernen und das Gedächtnis eingeschränkt. In Schicht 3 passiert die Emotionsregulierung und Impulskontrolle. Vom Frontallappen kommen dämpfende Impulse zum limbischen System über hemmende Nervenbahnen. Wenn diese Funktion z.B. aufgrund lang anhaltendem Stress überstrapaziert ist, funktioniert diese Regulierung nicht gut (Beruhigungsmittel sind dann oft der Ersatz.). Auch bei Demenz ist der Frontallappen beeinträchtigt und die archaischen Emotionen aus Schicht 2 treten unreguliert zutage. Umgekehrt werden in Schicht 3 an sich neutrale Vorgänge, die sonst nur z.B. nach Kosten-Nutzen-Überlegungen entschieden würden, mit bewertenden Emotionen belegt.

Nach dem von Tina Bär und Dr. Volker Mueller geleiteten abschließenden Akademie-Forum wurde die Verbindung von neurologischen Ergebnissen bzw. Betrachtungen mit philosophisch-psychologischen Kategorien auf dieser Tagung als bereichernd erfahren. Auch war die Tagung ein gelungener Mix aus verschiedenen Zugängen bzw. Arbeits- und Begegnungsformen (Vortrag, Diskussion, Arbeitsgruppen, Exkursion, Filmvorführung, Geselligkeit). Als angenehm wurde auch erlebt, dass keinen Einseitigkeiten (rigoroser Determinismus, extremer Idealismus) das Wort geredet wurde, sondern Kompatibilitätsmodellen verschiedener Varianz.

Ein Tagungsband zu der hier vorgestellten Tagung zum menschlichen Gehirn wird als Band Nr. 38 der Schriftenreihe der FA 2019 zum Preis von 19,90 EUR erscheinen und kann beim Angelika-Lenz-Verlag bereits jetzt vorbestellt werden. Er knüpft an eine Tagung der FA zum Thema Bewusstsein an, deren Vorträge als Band Nr. 29 bereits 2010 erschienen sind und beim A.-Lenz-Verlag bzw. im Buchhandel zum Preis von 15,00 EUR erhältlich ist.

Dieter Fauth

Tagungsbericht Fachtagung als PDF

Tagung 2018 1

Tagung 2018 2

Tagung 2018 3

Tagung 2018 4

Tagung 2018 5

Tagung 2018 6

Tagung 2018 7


Einladung zur wissenschaftlichen Tagung 2018

„Solange das Gehirn ein Geheimnis ist, wird auch das Universum ein Geheimnis bleiben.“

(Santiago Ramón y Cajal)

Die wissenschaftliche Tagung der Freien Akademie wird vom 10. bis 13. Mai 2018 in der Frankenakademie Schloss Schney stattfinden. Es wird das Thema "Das menschliche Gehirn" behandelt.

Über Jahrhunderte hinweg waren den Menschen das Gehirn und der Geist, das Denken und Wollen, das Erinnern und Lernen und Erfinden ein Rätsel. Das menschliche Gehirn fasziniert WissenschaftlerInnen und PhilosophInnen seit jeher. Und auch wenn viele Geheimnisse noch tief verborgen sind, wissen Forscherinnen und Forscher heute mehr darüber, als je zuvor. Die einen suchen danach, wie Gefühle im Gehirn entstehen, andere danach, wie wir eigentlich lernen. Einige forschen daran, wie sich Krankheiten des Gehirns auf unsere Persönlichkeit auswirken, andere, ob sich Intelligenz auch künstlich herstellen lässt. Die Tagung bietet allen Interessierten einen Einblick in Fragen und Ergebnisse der gegenwärtigen Hirnforschung, sowohl aus fachwissenschaftlicher als auch aus interdisziplinärer Sicht.

Was wissen wir heute darüber, wie sich das menschliche Gehirn und Bewusstsein entwickelt hat? Was sind Bewusstseinsprozesse aus neurobiologischer Sicht? Was folgen daraus für psychologische und ethische Konsequenzen? Wieso streiten die HirnforscherInnen darum, ob es einen freien Willen gibt oder nicht? Wie wird heutzutage an der Optimierung des Gehirns gearbeitet? Darf man das überhaupt, der Natur ins Handwerk pfuschen, oder muss man es, weil man es kann? Wie entstehen Emotionen in Kopf, von denen wir oft meinen, sie wären eine Sache des Herzens? Welche Fragen können Forscherinnen und Forscher heute schon beantworten und was ist offen?

Lassen Sie uns gemeinsam auf eine Entdeckungsreise zum aktuellen Stand der Forschung gehen, lassen Sie uns fragen und diskutieren und gemeinsam klüger werden. Sie sind herzlich eingeladen!

Tina Bär und Dr. Volker Mueller

Wissenschaftliche Tagungsleitung

 


Nachruf für Jan Bretschneider

Am 21. Dezember 2017 ist unser langjähriges Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Freien Akademie, unser Mitstreiter und Freund Dr. Dr. Jan Bretschneider verstorben. Wir verlieren einen sehr ausgleichenden Kollegen mit ausgezeichneten und weitreichenden Fachkenntnissen. Durch seine Vorschläge und Ideen und durch seine Vorträge auf unseren wissenschaftlichen Tagungen hat er unsere freiakademische Arbeit bereichert.

Unser Mitgefühl gilt seiner Lebensgefährtin und seiner Familie.

Jan Bretschneider, Jahrgang 1938, studierte von 1956 bis 1961 Biologie und Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er arbeitete zunächst als Dozent für Biologie und als Lehrer. Seit 1970 war er wissenschaftlicher Assistent und Lektor an der Universität Jena, ab 1978 Mitarbeiter am interdisziplinären Forschungsprojekt „Einheit in der naturwissenschaftlichen Erkenntnis“, von 1993 bis 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe für Didaktik der Biologie. Er lehrte und forschte vor allem zu Fragen der Biologiedidaktik und des Verhältnisses von Naturwissenschaften (insbesondere Biowissenschaften) und Philosophie. 1974 promovierte er zum Dr. rer. nat. und 1992 zum Dr. phil..

Er hat mehrere Bücher und über 200 Publikationen vorgelegt.  

Als selbstbewusster  anregender Denker und kreativer Pädagoge bleibt uns Jan Bretschneider in lebendiger Erinnerung.  Wir werden ihn vermissen und sein Andenken in Ehren halten.

 

Dr. Volker Mueller

Präsident der Freien Akademie


 Ankündigung der Tagung 2018

Die wissenschaftliche Tagung der Freien Akademie wird vom 10. bis  13. Mai 2018 in der Frankenakademie Schloss Schney stattfinden. Es wird das Thema "Das menschliche Gehirn" behandelt. Dabei sollen die gegenwärtige Hirnforschung, deren Resultate und Konsequenzen sowohl aus fachwissenschaftlicher als auch aus interdisziplinärer Sicht im Mittelpunkt stehen. Die Evolution des menschlichen Bewusstseins wird ebenso erörtert wie psychologische und ethische Konsequenzen.

Alle Interessenten sind herzlich eingeladen!

Anfragen können gern gerichtet werden an die: Freie Akademie, Holbeinstr. 61, 14612 Falkensee.  

Dr. Volker Mueller

Präsident der Freien Akademie


Tagungsbericht 2017

Die wissenschaftliche Jahrestagung der Freien Akademie wurde vom 25. bis 28. Mai 2017 in der Frankenakademie Schloss Schney zu dem Thema „Macht der Bilder, Macht der Sprache“ durchgeführt. Die Eröffnung und Begrüßung erfolgte durch den Präsidenten der Freien Akademie, Dr. Volker Mueller (Falkensee).

Der wissenschaftliche Tagungsleiter 2017 Prof. Dr. Walter Otto Ötsch (Bernkastel-Kues) eröffnete die Tagung mit grundsätzlichen Gedanken zum Thema Bildlichkeit mit dem Titel: Die Bedeutung von Bildern für das „Denken“.  Er bezog sich dabei auf den Philosophen Hans Jonas, dessen These vom homo pictor besagt, dass Menschen fähig seien, Bilder zu produzieren und damit fähig, eine andere Beziehung zu Objekten aufzubauen als andere Lebewesen. Was bedeute es aber für ein Wesen, dass ein Bild (etwa ein entdecktes Höhlenbild) gemacht habe? Was bedeute es, ein Bild als Bild wahrzunehmen? Der Mensch sei ein bildwahrnehmendes wie auch ein bildproduzierendes Wesen. Das zeige, dass Menschen die Fähigkeit haben, Erkennen von der unmittelbaren Sinneswahrnehmung zu trennen, so entstünden beispielsweise Erinnerungen. Auch die Einbildungskraft sei eine wichtige, den Menschen ausmachende Folge, sowie auch die Freiheit, über Dinge nachzusinnen. Die imaginative Distanz zu Dingen mache das Nachdenken und Erfinden möglich. Ötsch vertritt dabei die These, dass es vor allem unbewusste Bilder sind, die hinter der Ebene der Sprache und Begriffe liegen, wobei er einräumte, dass Bildlichkeit eine Hypothese ist, die in den anderen Wissenschaften nicht sehr anerkannt ist. In der Diskussion wurde ein breites Spektrum an Fragen aufgeworfen, die im Laufe der Tagung wieder aufgegriffen wurden. Dazu gehören Fragen nach der Klarheit des Begriffs Bildlichkeit, nach der Verbindung von auditiven mit bildlichen Vorstellungen und der Verbindung von Denken in Situationen und Denken in Bildern.

Prof. Dr. Pia Knoeferle (Berlin) befasste sich mit dem Thema „Sprache und Bilder“ in neurologischer Sicht. Sie erforschte den Zusammenhang vor allem durch Auswertung von Augenbewegungen sowie Gehirnreaktionen. Ihre Leitfragen bezogen sich auf das Wechselverhältnis von Sprache und Bild beim Verstehen: liegt der Sprachverarbeitung eher Begrifflichkeit oder Bilder zugrunde? Ist Sprachverarbeitung ein eher bewusster oder eher unbewusster Ablauf? Unterstützen Bilder Sprachverstehen und/oder umgekehrt? Wir alle wissen bereits, dass der Inhalt eines Sprachsatzes besser verstanden wird, wenn er auch visuell abgebildet ist. Untersuchungen der Referentin des Bezugs zwischen Sprachbedeutung und Augenbewegungen vertiefen dieses Wissen. Sage ich z.B. „Nase“, so legt der Hörer seine Aufmerksamkeit auf die zu sehende Nase. Entsprechendes passiert auch bei semantisch widersprüchlichen Verbindungen. Sage ich z.B. „Klavier“, es befindet sich aber eine Trompete im Raum, so legt der Hörer trotzdem mehr Aufmerksamkeit auf die Trompete. Analoges gilt z.B. für ‚Schlange‘ und ‚Wasserschlauch‘. Entsprechende Verstärkungen von Sprachverstehen durch Bilder gibt es nicht nur bei konkreten, sondern auch bei abstrakten Inhalten. Z.B. wird eine erhöhte Aufmerksamkeit des Hörers nicht nur beim Wort ‚Nase‘ auf die Nase gerichtet, sondern ebenso beim Wort ‚Geruch‘, hier allerdings, wie die Augenbewegungen des Hörers verraten, etwas später. Das heißt, Sprache erhält ihre Bedeutung beim Hörer auch aus der visuellen Umgebung bzw. Wahrnehmung. Die visuelle Wahrnehmung bereichert ein situiertes Sprachverstehen. Diese Verbindungen von Wort und Bild werden beim Hörer weitgehend unbewusst hergestellt. Das heißt, Sprachverarbeitung ist auch ein unbewusster Ablauf. Sprachverstehen wird freilich nicht nur über das Auge unterstützt, sondern selbstverständlich über Gehirnreaktionen. Immer bewirkt eine Verbindung von Sprache und Bild eine spezielle Hirntätigkeit. Dabei ist die Hirntätigkeit umso intensiver, je unerwarteter bzw. wunderlicher der Sprachinhalt angesichts des Gesehenen ist. Verwunderung erzeugt z.B., wenn ein Verb nicht zu einer gesehenen Handlung passt (semantisches Problem) oder wenn im Sprachsatz das Objekt zuerst und erst danach das Subjekt genannt wird (syntaktisches Problem). Insgesamt kann also auch auf neurowissenschaftlichem Weg gezeigt werden, dass und wie Sprache und Bildlichkeit zusammen wirken.

In ihrem Vortrag stellte PD Dr. Kirstin Zeyer (Carl von Ossietzki Universität Oldenburg) die „Bildlichkeit in der Geschichte der Philosophie“ am Leitfaden exemplarischer Positionen der Philosophiegeschichte von Platon bis Ernst Cassirer dar. Platons Unterscheidung einer wahren Welt der Ideen von der Welt der sinnenfälligen Dinge liege das prinzipielle Mißtrauen gegen die Sinnendinge zugrunde, welche als vergängliche Abbilder ihren unvergänglichen Urbildern, den Ideen, nachgeordnet werden. So ist die Sonne im Sonnengleichnis nur das Abbild der Idee des Guten und die Ideen seien daher handlungsleitende Zielvorstellungen. Selbsterkenntnis sei dann eine Angleichung der Seele an Gott. Diese vollziehe sich dialogisch mit anderen, so Dr. Zeyer in Anlehnung an Ernst Cassirer, sodass Wahrheit, ermittelt durch Kooperation, Resultat einer sozialen Handlung sei. Für das christliche Denken sind drei Positionen von Augustinus´ Bestimmung des Geistes als Spiegelbild (speculum), das sich selbst reflektiert, also als Bild weiß, über Eriugenas Auffassung der Theophanie bis zu Cusanus´ Bestimmung des Menschen als „lebendiges Bild Gottes“ erläutert worden. In der Neuzeit habe sich dann die Kontroverse entwickelt, ob die Dinge den Status von Objekten, die keine Bilder sind (Descartes), oder von „Bewusstseinstatsachen“, also subjektiven Bildern (Berkeley: esse est percipi) haben. Dieser Sensualismus münde in eine `Irrealisierung´ von Objekt und Subjekt bei Ernst Mach („`Ich´ besteht aus einer Reihe von Empfindungselementen“). Dagegen finde sich in Diltheys Hermeneutik eine Aufwertung der imaginatio und von Bildern. Für eine Überwindung der sich daraus ergebenden „Krise der Selbsterkenntnis“ des Menschen ist zum Abschluss der Ansatz von Ernst Cassirer zur Debatte gestellt worden: Wenn alle kulturellen `Formen´ von Sprache, Religion, Kunst usw. Tätigkeiten bzw. Funktionen und keine Substanzen seien, dann sei der Mensch ein „animal symbolicum“ und daher jede Kulturtätigkeit Symboltätigkeit. Somit ergäbe sich eine „Einheit von `Sinnlichkeit´ und `Sinn´ und Wahrnehmung wäre eine Wechselbeziehung von `Darstellendem´ und `Dargestelltem´.           

Die Tagungsteilnehmer und -teilnehmerinnen erlebten am Freitagnachmittag eine Exkursion zum Bamberger Dom, in der das Tagungsthema versinnbildlicht und vertieft werden konnte. Der romanische Bamberger Dom St. Peter und St. Georg gehört zu den deutschen Kaiserdomen und ist mit seinen vier Türmen das beherrschende Bauwerk des Weltkulturerbes Bamberger Altstadt. Er steht auf der markanten Erhebung des Dombergs, der noch weitere historische Gebäude aufweist. Im Inneren befinden sich neben dem Bamberger Reiter das Grab des einzigen heiliggesprochenen Kaiserpaars des Heiligen Römischen Reichs sowie das einzige Papstgrab in Deutschland und nördlich der Alpen. In einer hervorragenden Führung im Dom erfuhren wir viele kulturhistorische und bildwissenschaftliche Hintergründe.

Bis zu den Veränderungen am Bauwerk Ende des Mittelalters blieben die Namen der Baumeister und Künstler, die an der Schaffung des Bauwerks beteiligt waren, unbekannt, so auch der Schöpfer des Bamberger Reiters. Diese Figur – die älteste erhaltene mittelalterliche Plastik eines Reiters – wurde um das Jahr 1230 aus mehreren Schilfsandsteinblöcken hergestellt und zeigt einen unbekannten Herrscher. Sie steht noch immer an dem Pfeiler, an dem sie früher aufgestellt war. Das Kaisergrab im Bamberger Dom wurde in den Jahren 1499 bis 1513 in der Werkstatt Tilman Riemenschneiders angefertigt. Das marmorne Hochgrab des Kaisers Heinrich II. und der Kaiserin Kunigunde zeigt auf den Seitenwänden Legenden aus dem Leben des Kaiserpaars.

Im Bamberger Dom befindet sich außer dem Kaisergrab auch das Grab des Papstes Clemens II., das einzige erhaltene Grab eines Papstes nördlich der Alpen. Clemens, vordem Bischof Suitger von Bamberg, wurde auf der Synode von Sutri zum Papst bestimmt, blieb aber weiterhin Bischof von Bamberg, seiner „süßesten Braut“. Nach seinem Tod wurde sein Leichnam nach Bamberg überführt und befindet sich heute – kaum sichtbar und nicht öffentlich zugänglich – hinter dem Bischofsstuhl, der Kathedra.

Die Kathedra, der Bischofsstuhl, steht seit dem Jahr 1969 vor dem Papstgrab. Sie ist Zeichen für den Verkündigungsauftrag des Bischofs, auf ihr darf nur der rechtmäßig bestellte und geweihte Bischof Platz nehmen. Die 1899 geschaffene Kathedra des Bamberger Doms ist ein neuromanisches Kunstwerk, das aus einem hölzernen, mit vergoldetem Kupferblech und geprägtem Leder überzogenen Stuhl besteht, der mit Halbedelsteinen verziert ist. Der Entwurf stammt von dem Münchener Akademieprofessor Leonhard Romeis und lehnt sich eng an frühmittelalterliche Vorbilder an.

Dr. Dirk Schindelbeck (Jena) stellte in seinem bildreichen Vortrag am Freitagabend dar, wie in den 50er Jahren von Seiten der Privatwirtschaft systematisch Werbung für die Einführung der ‚Sozialen Marktwirtschaft‘ betrieben wurde, nachdem nach dem II. Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren die Wiedereinführung des Kapitalismus nicht so ohne weiteres möglich schien. Eine maßgebliche Rolle habe dabei der Unternehmerverein „Die Waage e.V.“ gespielt, die 1952 den bürgerlichen Kräften für die kommende Bundestagswahl helfen wollte. Diesem Verein gehörten Großindustrielle und Unternehmer von Firmen wie BASF, über Bosch und Siemens, bis Shell und Continental an. Auch das Meinungsforschungsinstitut Allensbach habe eine wesentliche Rolle in der Begleitung der Aktivitäten gespielt, deren Umfrageergebnisse zur Optimierung der Werbekampagne genutzt wurden. Kern der mehrjährigen Kampagne waren Anzeigenserien mit 149 Motiven, mehreren Plakaten und sogar Kinofilmen, in denen zwei Musterdiskutanten  Dialoge zur sozialen Marktwirtschaft führten. Nach Selbsteinschätzung des Vereinsvorstandes haben diese Aktivitäten zu einer Wählerwanderung von 5% bei der Bundestagswahl 1953 beigetragen. Der Vortrag verdeutlichte damit an einem konkreten Beispiel, wie die Macht der Bilder in der Werbung für politische Zwecke genutzt wurde und es wurde die Schwierigkeit diskutiert, wie gegen die Wirkmacht der Werbeindustrie in Wirtschaft und Politik mit der Macht des Wortes entgegen getreten werden kann und ob das überhaupt möglich sei, wie es viele Intellektuelle und Demokraten immer wieder versuchten, oder ob man die Macht der Bilder nicht stärker anerkennen und auch in kritischen Kreisen stärker an der Bildlichkeit gearbeitet werden sollte.

Seinen Hauptvortrag „Bilder des Rechtspopulismus“ am Samstagvormittag leitete Prof. Dr. Walter O. Ötsch (Cusanus Hochschule Bernkastel-Kues) mit allgemeinen Hinweisen auf eine Theorie der sozialen Repräsentation ein. Die Tatsache, dass Menschen mit varianten und invarianten Bildern bei der Wahrnehmung sozialer Beziehungen operieren, wurde am „Sozialen Panorama Modell“ von Lucas Derks dargestellt. Demnach bedingen die im mentalen Raum angesiedelten Repräsentationen auf dem Wege bestimmter Kanäle der Weitergabe die sozialen Interaktionen. Daher sei der Kern des Rechtspopulismus ein bestimmtes Bild der Gesellschaft, also eine „andere Art des Denkens“, nicht nur andere Inhalte. Grundlage des Populismus sei – nach Cas Mudde – die Unterteilung der Gesellschaft in zwei Gruppen, das wahre Volk und die korrupte Elite. Populisten geben vor, den wahren Volkswillen zu kennen (volonté generale), und wollen dessen Repräsentation durchsetzen. Demagogie als Volksverführung radikalisiere deswegen immer das Bild der Zweiteilung „Die – Wir“: „Die“ sind die Bedrohung, „Wir“ haben Angst; Probleme sind verursacht durch die „Anderen“, „sie“ bedrohen „uns“. Deshalb müssen „wir“ uns wehren und die Populisten treten als diejenigen auf, die Widerstand und Schutz vor den „Anderen“ garantieren werden. So entstehe ein Feld von Gegensätzen: System – Volk, Elite – Bürger, Kartell – Demokratie, EU-Diktatur – Nationalstaat, Multikulti – unsere Kultur, Willkommenskultur – Volksgemeinschaft. Alle diese Begriffe seien „freie Erfindungen“, da es diese Gruppen gar nicht gebe, so Prof. Ötsch. Demagogen gehen dann von bestehenden Ängsten, Sorgen und Befürchtungen der Menschen aus (z. B. Finanzkrise 2008/09) und leiten sie auf die genannten Gegensätze um. Dabei werden Verschwörungstheorien, kalkulierte Provokationen, Verwandlung von Sachthemen in Kämpfe von Personen etc. als Mittel der Demagogie eingesetzt. Die Depersonifikation der „Anderen“ entfalte dann die Hass-Sprache, für die die inneren Hass-Bilder zu Gewaltphantasien und zur Entmenschlichung der „Anderen“ mobilisiert werden. Zum Abschluss hat Prof. Ötsch auf zukünftige Gefahren verwiesen: Eskalationsspiralen in den Medien und auf öffentlichen Plätzen, die Zunahme des Verschwörungsdenkens und die „Erhöhung der Dosis“ bis hin zur Gewalttätigkeit. Diese Gefahren bestehen auch deswegen, weil der Rechtspopulismus für tatsächliche Probleme gar keine Lösungen anbieten kann.         

Im Mittelpunkt der Ausführungen von Prof. Dr. Silja Graupe (Bernkastel-Kues) über „Sprache und Beeinflussung in der ökonomischen Bildung“ stand die Frage, wie ökonomische Bilder in der ökonomischen Bildung geprägt werden. Gibt es eine Indoktrination in der ökonomischen Bildung, eine Überbetonung marktwirtschaftlicher Frames? Sie plädierte für eine stärkere Berücksichtigung solcher Frames wie Umweltschutz oder soziale Gerechtigkeit in der politischen Bildung. Sie kritisierte eine drohende komplette Standardisierung der ökonomischen Bildung, insofern wenige gleichartige Lehrbücher seit Jahrzehnten und übersetzt in viele Sprachen die Hochschulbildung im Bereich Ökonomie dominieren und auch die weitere Fachliteratur nicht diskursiv angelegt ist. Die Finanzkrise 2008 hat nicht zu einer Pluralisierung der Ökonomie beigetragen, sondern im Gegenteil das unkritische Antrainieren von quasi ökonomischen ‚Glaubenssätzen‘ noch verstärkt. Insofern grenzt die Hochschulbildung im Bereich Ökonomie meistenorts an Indoktrination. Schon der Ökonom John Maynard Keynes (1883-1946) habe gewusst, dass die Macht der Ökonomen darauf beruht, ökonomische Theorien nicht als Hypothesen zu reflektieren, sondern so zu tun, als wäre die Theorie die Welt selber. Die Studierenden werden soweit in die Mathematik hinein getrieben, dass keine Erfahrung bleibt und schließlich von der „reinen“ Ökonomie geredet wird. Der genannten ökonomischen Beeinflussung liegt z.B. das Prägungsmuster des ökonomischen Framing zugrunde. Frames sind unbewusste Vorstellungen, die vor allen Fakten gebildet werden, so dass Fakten nur auf der Basis bzw. im Rahmen dieser Frames verarbeitet werden können. Z.B. wird der ursprünglich sehr erfahrungsgesättigte Begriff ‚Markt‘ (Wochenmarkt, …) abstrakt gemacht (Regulativ mit unsichtbarer Hand, …) und dann neu, neo-liberal, geprägt. So wird schließlich das Bewusste erfahrungsunabhängig, reine Mathematik, Statistik und Rechnen. Die prägenden Einstellungen (frames) bleiben aber unbewusst. Eine Umprägung des ökonomischen common-sense (reframing) geht daher nicht durch Aufklärung und dauert lange. Für ein reframing ist es wichtig zu wissen, wie frames gebildet werden. Hier ist nicht so sehr der Wirtschaftswissenschaftler als vielmehr der Kognitionswissenschaftler gefragt. Das ökonomische framing basiert zum Einen auf einem dualistischen Denken bar jeder Erfahrung: Wir vs. die Anderen (im Sozialismus, …) / Staat vs. Markt / Kontrolle vs. Freiwilligkeit / … Dualismen sprechen nicht den ruhigen, kritischen Verstand des Aufgeklärten an, sondern erzeugen eine unbewusste Abwehrhaltung. Zum Zweiten passiert beim ökonomischen framing eine Hypo-Kognition. Dem Lernenden werden immer nur Einzelaspekte mitgeteilt. Studierende kommen mit ökonomischen Fragen, Gerechtigkeitsfragen, Verbindungen zur Ökologie, usw. Alsbald werden sie intellektuell reduziert, als ob sie in der Welt wie in einem Supermarkt stehen. Dort muss ich mit niemandem reden, befinde mich in einer Monokultur des Denkens. Hypo-Kognition passiert auch, wenn über ökonomische Vorgänge mit genuin wirtschaftsfremder Terminologie geredet wird („Rettungsschirm“, …). Zum Dritten passiert ein ideologisches Framing. Denn das Verkümmern des sachlich Komplexen geht mit einem moralischen Verblassen einher. Nachdem eigene Erfahrung und komplexes Denken aus dem ökonomischen Lernen herausgefiltert sind, bleibt nur ein Gefühl übrig und zwar ein gutes Gefühl, wenn ich auf der Seite des Marktes stehe. Beeinflussung ökonomischen Denkens geschieht aber nicht nur durch die Sprache, sondern auch durch Bilder. Z.B. wenn Marktbereiche wie Organe im Organismus betrachtet werden. Auch über Graphiken werden erwünschte ökonomische Haltungen visuell transportiert. Beispiel ist eine Graphik zum Grenznutzen (= Nutzenzuwachs). Der Studierende soll sich vorstellen, Eis zu konsumieren (schöner Kontext!). Eine Kugel kostet 20 Dollar, 19 Dollar, … (jenseits aller Erfahrung!). Wann ist der Zuwachs an Nutzen beim Konsum einer Kugel Eis höher als der Verlust an Geld? Eine pluralistische Ökonomie wird die Pluralität der Erfahrungen zurückholen, das Vorbewusste bewusst machen (nicht nur beim Einzelnen, sondern für Gruppen / Gemeinschaften), damit jeder Studierende selbstreflexiv eigene Weltbilder gewinnen kann. Der Mensch hat das Potential, alles zu denken. Deshalb sollte die Gemeinschaft dafür sorgen, dass dies bestmöglich möglich ist. Dazu brauchen wir keine Hierarchie, keine Gewalt, usw., sondern sollten nahe am Anarchismus sein.

In ihrem Kurzvortrag ging Frau Tina Bär (Berlin) auf Noam Chomsky und sein Thema „Sprache und Freiheit“ ein.  Was hat Sprache mit Freiheit zu tun? Und wie begrenzt Sprache unseren Denkhorizont? Was sind wir eigentlich in der Lage zu erkennen und zu verstehen von der Welt? Keinen geringeren Fragen als diesen geht Noam Chomsky in seinem 2016 erschienenen Buch „Was für Lebewesen sind wir?“ nach. Der Vortrag zeichnete zentrale Thesen seiner Arbeit nach und stellte mögliche Schlussfolgerungen zur Diskussion.

Für Chomsky ist die Funktion von Sprache nicht vordergründig Kommunikation, sondern Sprache ist für ihn vielmehr ein Werkzeug des Denkens. Er beschäftigt sich mit Sprache als internem Wissenssystem, nicht mit Sprache, wie sie externalisiert, also gesprochen oder geschrieben wird. Chomsky vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass der Mensch über so etwas wie eine generative Grammatik verfügt, die man sich wie ein mathematisches Regelsystem vorstellen kann. Demzufolge basiert unsere Sprachfähigkeit auf einer geteilten biologischen Ausstattung, die uns Denken und Sprache überhaupt erst ermöglicht. Diese Auffassung grenzt sich von verhaltenswissenschaftlichen Erklärungsansätzen ab und ist nicht unumstritten. Für Chomsky ist die Existenz einer generativen Grammatik allerdings die wahrscheinlichste Erklärung für die Beobachtung, dass wir in der Lage sind, aus wenigen Sätzen, die wir beim Erlernen einer Sprache hören, ein „unbegrenztes Spektrum hierarchisch strukturierter Ausdrücke“ zu generieren.

Und aus humanistischer Sicht ist vor allem interessant, was aus Chomskys These folgt: Dass unsere grundsätzliche kognitive Sprachfähigkeit, die Existenz der von ihm angenommenen generativen Grammatik, „unbegrenztes und kreatives Denken“ ermöglicht und den Menschen zur Freiheit befähigt. Gleichzeitig sind unsere unendlichen Möglichkeiten begrenzt: Unsere angeborenen Strukturen machen uns Chomsky zufolge eine reiche Vielfalt formulierbarer Fragen zugänglich, während sie andere ausschließen. Wir haben dieser These zufolge also nur ein begrenztes Spektrum an Möglichkeiten, überhaupt die richtigen Fragen zu stellen.

Der 27. Mai 2017 wurde mit einem angenehmen Musischen Abend abgeschlossen.

Am Sonntagvormittag war die Ausgangsthese des Vortrages von Dr. Stephan Pühringer (Linz) über „Bilder der ÖkonomInnen zur Finanzkrise 2008“ die Fragestellung, wieso dieses einschneidende Ereignis zu keiner fundamentalen Neuausrichtung der ökonomischen Wissenschaft im deutschsprachigen Raum führte. Nur unmittelbar nach der Krise habe es ein Strohfeuer von Selbstkritik in der Wirtschaftswissenschaft gegeben („keynesianisches Moment“): zu weit weg vom Weltgeschehen; Erwägung von Finanzmarktregulierung; Kritik an Austeritätspolitik, Fiskalpakte gegen Staatsschulden. Doch bald sind die Machtstrukturen in den Wirtschaftswissenschaften zurückgekehrt: Wie vorher wird das Heterodoxe stetig marginalisiert und eine Dominanz der Neoklassik befördert; wie vorher werden andere Sozialwissenschaften nur schwach rezipiert; wie vorher wird auf die Eliten unter den Wirtschaftsprofessoren geschaut und werden hierarchische Strukturen gestärkt. Diese Entwicklung wird mit Bildern von der Finanzkrise 2008 unterstützt: Die Finanzkrise wird als Krankheit dargestellt, die die Wirtschaft infiziert hat,  bzw. als Naturphänomen. Wirtschaft wird anthropomorph als sensibler Akteur dargestellt, der nicht gut behandelt wurde und jetzt droht; gelegentlich wird die Finanzkrise mit technischem Versagen parallelisiert und vom Wirtschaftsmotor ohne Öl gesprochen; oder man bedient sich Kriegsmetaphorik, wenn Kredite wirkten wie Massenvernichtungswaffen. Bei all dem fehlt, die Finanzkrise als Chance hin zur Steuerung der Makroökonomie durch die Regierung in einer ordo-liberalen Demokratie mit politischer Toleranz (=im Sinne von Keynes) zu sehen. Im Vergleich zu 2008 hat Roosevelt die Weltwirtschaftskrise 1929 vorbildlich erklärt.

In einer offenen Debatte mit den anwesenden Referentinnen und Referenten wurden im beschließenden Akademischen Forum  Ergebnisse der wissenschaftlichen Tagung erörtert und offene und weiterführende Fragestellungen besprochen. Die Tagung wurde von den Teilnehmenden ausgesprochen erfreulich und niveauvoll eingeschätzt und der interdisziplinäre Ansatz gewürdigt. Herrn Prof. Dr. Ötsch als wissenschaftlichem Tagungsleiter und allen Referierenden wurde für ihre Arbeit herzlich gedankt.

Präsidium der Freien Akademie